Der Effort-Effekt – Warum Lob auch schaden kann

Zu viele Komplimente und zu viel Lob fördern die Leistungsfähig­keit von Kindern keineswegs – sie verringern sie sogar. Der Name dieses Phänomens: Der Effort-Effekt.

Lob ist Labsal für die Seele. Womöglich ist das aber zugleich ihr größter Nachteil. Eben weil sie so angenehm ist, kann Anerkennung süchtig machen, und dann verwandelt sich Lob in eine Motivations-Droge. Vor allem bei Kindern.

Natürlich wollen Eltern ihren Sprösslingen die nötige Dosis Selbstbewusstsein verabreichen. Daher loben sie ihre Kinder, was das Zeug hält, und sagen ihnen stets gerne, wie klug sie seien. Das ständige Lob soll dabei helfen, sie für die raue Welt da draußen zu rüsten. Die Absicht ist zwar nobel, aber kontraproduktiv. Psychologen haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Erkenntnisse gewonnen, die vor allem einen Schluss zulassen: Zu viele Komplimente à la „Wie klug du doch bist“ fördern die Leistungsfähigkeit der Kleinen keineswegs – sie verringern sie eher.

Bereits seit Jahrzehnten untersucht die US-Psychologin Carol Dweck von der Stanford-Universität die Auswirkungen von Lobeshymnen auf Schüler. Für eine Langzeitstudie gingen Dweck und ihr Team in verschiedene Klassen der fünften Jahrgangsstufe. Sie pickten sich jeweils ein Kind heraus, das einen einfach zu lösenden Geschicklichkeitstest absolvierte.

Danach teilten die Wissenschaftlerinnen dem Schüler sein Ergebnis mit – und gaben ihm ein unterschiedliches Feedback. Der eine bekam zu hören: „Du bist wirklich schlau.“ Anderen wurde gesagt: „Du hast dich offenbar wirklich angestrengt.“ Während den einen also hohe Intelligenz unterstellt wurde, rühmte man die anderen für ihre Willensstärke und Leistungsfähigkeit.

Dann ging das Experiment in die zweite Runde. Jetzt hatten die Schüler die Wahl: Sie konnten sich entweder an einem schwierigeren Test versuchen oder an einem leichteren. Schon hier machte sich das unterschiedliche Feedback bemerkbar. Von den Kindern, die nach dem ersten Test für ihre Anstrengung gelobt worden waren, wählten 90 Prozent den schwierigeren. Wer ein Loblied auf seine Intelligenz erhalten hatte, wählte meist den leichteren Test.

„Wenn wir Kinder für ihre Intelligenz loben“, schrieb Dweck in ihrer Zusammenfassung, „lenken wir ihr Verhalten in bestimmte Bahnen.“ Dadurch entstehe bei ihnen Angst, Fehler zu machen und buchstäblich dumm dazustehen. Die Kinder in Dwecks Experiment wollten dieses Risiko vermeiden und wählten daher den leichten Test.

Programmiertes Scheitern

In einem weiteren Versuch hatten die Fünftklässler keine Wahl mehr. Dweck und ihre Kollegen gaben den Schülern nun absichtlich einen schwierigen Test, der eigentlich für Siebtklässler gedacht war. Scheitern war also programmiert. Doch wieder reagierten die Kinder unterschiedlich. Wer zuvor Komplimente für seine Arbeitsmoral erhalten hatte, führte sein Scheitern auf eigenes Versagen zurück. Diese Kinder strengten sich im Test umso mehr an und testeten verschiedene Lösungswege. Auch wenn sie scheiterten, hatten die Kinder Spaß an der Denksportaufgabe.

Ganz anders das Bild der Gruppe, der man vorab hohe Intelligenz unterstellt hatte. Sie nahmen das Scheitern zum Anlass, ihre Intelligenz anzuzweifeln, und gaben die Aufgabe nach kurzer Zeit schlecht gelaunt auf.

Nun folgte der letzte Teil des Versuchs. Alle Fünftklässler bekamen einen Test, der so leicht war wie der erste. Wieder überraschte das Ergebnis: Wer für seinen Fleiß gelobt worden war, verbesserte sich im Vergleich zum Anfang des Experiments um etwa 30 Prozent. Wem Intelligenz unterstellt worden war – eine Diagnose, die die Kinder inzwischen ja eigenhändig revidiert hatten –, schnitt nun bis zu 20 Prozent schlechter ab.

Carol Dweck hatte zwar erwartet, dass sich das Lob rächen würde, aber dass die Ergebnisse so deutlich ausfielen, war schon fast erschreckend. Sie nannte dieses Phänomen schließlich den Effort-Effekt: Nur wer seinen Kindern die Bedeutung von Anstrengung und Fleiß (englisch: Effort) vermittle, gebe ihnen „Kontrolle über ihr eigenes Handeln“. Wer hingegen nur die Intelligenz lobpreist, nimmt den Kindern diese Kontrolle. Beim ersten Misserfolg stürzt das Selbstbild dann wie ein Kartenhaus in sich zusammen.

Der Artikel ist ein Auszug aus dem Buch „Ich denke, also spinn ich„, das ich gemeinsam mit meinem Kollegen Jochen Mai geschrieben habe.

 

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