Schon Kinder lassen sich von Klischees und Stereotypen negativ beeinflussen – selbst dann, wenn sie eigentlich gut gemeint sind. Der Grund: Sie untergraben den Glauben an die eigene Leistungsfähigkeit.
Zunächst mal ein Geständnis: Auch ich habe manchmal Vorurteile. Oder sagen wir besser: Ich sitze gewissen Stereotypen auf. Irgendwie habe ich mich an die Vorstellung gewöhnt, dass Afrikaner gute Marathonläufer sind oder Kanadier gute Eishockeyspieler. Ich meine das überhaupt nicht rassistisch oder despektierlich, ganz im Gegenteil, ich bewundere solche Leistungen, denn ich kann weder Schlittschuhlaufen noch 42 Kilometer am Stück über Asphalt rennen (oder über irgendeinen anderen Boden).
Aber es deckt sich mit meinen Alltagsbeobachtungen, dass Marathons meist von Afrikanern gewonnen werden und die kanadische Eishockey-Nationalmannschaft bei Weltmeisterschaften oft weit kommt. Solche Vorurteile entstehen beinahe automatisch, und im Falle sportlicher Leistungen sind sie zudem harmlos, denn ich meine es ja nur gut.
Von wegen, würde jetzt wohl Andrei Cimpian erwidern, Psychologe an der Universität von Illinois in Urbana-Champaign. Und zwar aus zwei Gründen. „Zum einen ist es fraglich, ob solche Aussagen wahr sind“, sagt Cimpian, „zum anderen vermitteln sie eine falsche Vorstellung von Erfolg – und untergraben dadurch womöglich die Leistungsfähigkeit.“
Zu diesem Ergebnis kam der Wissenschaftler in einer neuen Studie, für die er zwei Experimente konzipierte. Im ersten legte er 48 vier- und fünfjährigen Kindern ein Blatt Papier vor, auf das verschiedene geometrische Formen gedruckt waren – Rechtecke, Kreise, Dreiecke und Sterne. In deren Mitte sollten die Kinder nun einen Kreis malen, ohne jedoch die Ränder zu berühren.
Vorab teilte Cimpian die Kleinen allerdings in zwei Gruppen. Der einen Hälfte sagte er: „Jungen (oder Mädchen) sind in diesem Spiel wirklich gut!“ Die andere Hälfte bekam zu hören: „Es gibt da einen Jungen (oder ein Mädchen), der in diesem Spiel wirklich gut ist.“ Mit anderen Worten: Die eine Hälfte wurde mit einem Klischee konfrontiert. Sie gingen davon aus, dass Jungen oder Mädchen sich in diesem Spiel generell gut schlugen. Die andere Hälfte wurde gewissermaßen auf individuelle Exzellenz gepolt.
Und siehe da: Allein diese unterschiedliche Ansage wirkte sich auf die Leistungsfähigkeit im Mal-Spiel aus. Kinder, die glaubten, dass der Erfolg in dieser Übung vom Geschlecht abhing, erzielten wesentlich schlechtere Leistungen. Das Faszinierende war: Diese negative Wirkung zeigte sich sogar auch dann, wenn die Klischees eigentlich etwas Positives vermittelten. Will sagen: Selbst wenn Jungen und Mädchen hörten, dass ihr eigenes Geschlecht in diesem Spiel gut war, litt ihre Leistung.
Negativer Effekt
Für ein zweites Experiment ließ Cimpian 144 Kinder, die Hälfte davon sechs und sieben Jahre alt, noch schwierigere Aufgaben lösen. Das Gemeine war: Bei manchen gab es keine Lösung. Damit wollte der Psychologe die Kinder nicht quälen, sondern herausfinden, wie sie auf offensichtliche Hindernisse und Rückschläge reagierten.
Wieder wurde einem Teil der Kinder suggeriert, dass der Erfolg in der Aufgabe vor allem Jungen oder Mädchen vorbehalten war. Ein zweites Drittel glaubte an den Erfolg einzelner Individuen, der Rest bekam keine Information. Und wieder zeigte sich der negative Effekt der Stereotypen: Kinder, die an Klischees glaubten, schnitten am schlechtesten ab – vor allem dann, wenn die Aufgaben schwierig bis unmöglich waren. Allein die Vorstellung eines Gott gegebenen Talents schmälerte ihre Leistung.
Die Studie demonstriert eindrucksvoll, dass gut gemeinte Aussagen mitunter genau das Gegenteil erreichen. Dann nämlich, wenn sie Kindern den Glauben an die eigene Leistungsfähigkeit rauben. Oder, wie es die legendäre US-Psychologin Carol Dweck einst mit ihrem Effort-Effekt ausdrückte: Kinder müssen wissen, dass sie Kontrolle über ihr eigenes Handeln haben – sonst stürzt das Selbstbild beim ersten Misserfolg in sich zusammen.
Anstatt gewisse Fähigkeiten und Talente an diesem oder jenen Geschlecht festzumachen, sollten sich Eltern vielmehr nach einem schönen Zitat aus dem Film „Das Streben nach Glück“ richten:
Lass Dir von niemanden je einreden, dass Du etwas nicht kannst. Wenn Du einen Traum hast, musst du ihn beschützen. Wenn andere etwas nicht können, wollen sie dir immer einreden, dass du es auch nicht kannst. Wenn du was willst, dann mach es.
Quelle:
Andrei Cimpian, Yan Mu und Lucy Erickson (2012). Who Is Good at This Game? Linking an Activity to a Social Category Undermines Children’s Achievement. Psychological Science.
Heißt ja im Klartext, sich nur auf sich selbst verlassen.
Dann muss man nur noch den inneren Anteilen wie den „Perfektionisten“ oder den „Kritiker“ das Kommentieren verbieten.
Die Abgrenzung von diesen finde ich schwieriger, weil sie ja in einem drin sind und man sich da meist schlechter abgrenzen kann als von Mitmenschen.
Sehr interessante Studie, die das Konzept der „Selbstwirksamkeit“ untermauert.