Hohe Meinung – Warum wir Freunde verherrlichen

Theoretisch müssten wir Freunde und Bekannte besonders gut einschätzen können. Praktisch jedoch resümiert eine neue Studie: Menschen, die wir kennen, verherrlichen wir meistens.

Daniel Leising, Psychologieprofessor von der Technischen Universität Dresden, gewann für seine Studie 310 Freundespaare mit einem Durchschnittsalter von 24. Zunächst sollten sich alle Paare gegenseitig charakterisieren. Einige Tage später teilte Leising sie in zwei Gruppen.

Die einen dienten als Testpersonen und sollten verschiedene Aufgaben lösen. Darunter: Fragen beantworten, an Rollenspielen teilnehmen, ein Lied singen oder einen Witz erzählen. Alle Aufgaben nahm Leising auf Video auf.

Diese Aufnahmen zeigte er anschließend sowohl den Testpersonen als auch ihren Freunden, die als Beobachter fungierten. Außerdem konfrontierte Leising auch eine Reihe weiterer Personen mit den Videos – und zwar solche, die die Probanden nicht kannten. Alle sollten nun die Leistung beurteilen.

Und siehe da: Die verschiedenen Personen bewerteten dieselbe Situation völlig unterschiedlich – je nach Perspektive. Die Fremden gaben den Testpersonen relativ wenig Punkte. Die besten Bewertungen erhielten die Probanden von ihren Freunden – sogar bessere, als sie sich selbst zubilligten.

Wenn wir unsere Freunde beurteilen, sind nach Meinung von Leising zwei gedankliche Verzerrungen (bias) am Werk. Zum einen beurteilen wir das Verhalten unserer Freunde danach, wie wir generell zu ihnen stehen. Anders formuliert: Wen wir ohnehin mögen, den bewerten wir positiver.

Zum anderen soll sich dieses Urteil auch mit speziellen Eindrücken decken. Wen wir zum Beispiel für gesprächig halten, dem billigen wir das auch in den meisten Situationen zu – obwohl das vielleicht gar nicht mit der Realität übereinstimmt.

Diese Neigung kann mitunter durchaus sinnvoll sein. Wenn sich unsere Freunde mal daneben benehmen, können wir dieses Verhalten immer noch als Ausnahme entschuldigen – ohne dass sich gleich unser ganzes Bild ändert.

Außerdem hält Leising die Tendenz, Freunde und Bekannte zu idealisieren, für eine Art sozialen Kitt, der den Zusammenhalt in der Gruppe stärkt.

Oder, wie einst die österreichische Schriftstellerin Marie Freifrau Ebner von Eschenbach sagte: „Wirklich gute Freunde sind Menschen, die uns ganz genau kennen, und trotzdem zu uns halten.“

Quelle:
Daniel Leising, Anne-Marie Gallrein und Michael Dufner (2013). Judging the Behavior of People We Know: Objective Assessment, Confirmation of Preexisting Views, or Both? Personality and Social Psychology Bulletin

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