Wollen Sie Ihre Kinder fördern? Dann schicken Sie sie zur musikalischen Früherziehung oder lassen Sie sie ein Instrument lernen – denn ein Forscher behauptet: Wenige Wochen Musikunterricht erhöhen die Intelligenz eines Kindes.
1993 veröffentlichte die amerikanische Psychologin Frances Rauscher von der Universität von Kalifornien in Irvine im angesehenen Wissenschaftsmagazin „Nature“ eine Studie (.pdf) mit dem Titel „Music and spatial task performance“, was übersetzt so viel bedeutet wie: Musik und räumliche Vorstellungskraft.
36 Studenten wurden damals in drei Gruppen eingeteilt und lauschten zehn Minuten lang unterschiedlichen Klängen: Die einen hörten Mozart, die anderen eine Entspannungs-CD, die Dritten nichts außer Stille. Danach sollten alle eine Aufgabe lösen, bei der es auf räumliches Vorstellungsvermögen ankam. Die Gruppe, die Mozart gehört hatte, schnitt am besten ab, auf Platz zwei landeten die Lauscher der Entspannungs-CD.
Nun aber wandelte Rauscher die Resultate ihrer Studie um – und zwar in Intelligenzwerte. Dabei kam sie zu dem Ergebnis, dass die Studenten nach dem akustischen Konsum von Mozart einen durchschnittlichen IQ von 119 aufwiesen, während die CD-Gruppe nur auf 111 kam. Wer in die Stille hineingehorcht hatte, erreichte gar nur 110 Punkte.
Zwar wies Rauscher in ihrem Einseiter explizit darauf hin, dass dieser Effekt zeitlich begrenzt und nach maximal 15 Minuten wieder verschwunden ist. Doch das hätten sie sich sparen können, die Studie war bereits in der Welt – und Don Campbell erkannte ihr Potenzial.
Der Mozart-Effekt
Der amerikanische Musiker und Autor hatte, anders als Rauscher, einen hervorragenden Instinkt für Vermarktung und ließ sich schon bald darauf ein Wort sichern: Mozart-Effekt. So lautet auch der Titel von Campbells Buch, das 1997 erschien und von der vermeintlich heilsamen Psychologie der Musik erzählt. Mit kaum fassbarem Erfolg: Allein von den dazu erschienenen CDs setzte Campbell über zwei Millionen Stück ab.
So hatte Frances Rauscher das allerdings nicht gewollt. Bis heute betont sie, dass sie nie behauptet habe, Mozart oder irgendeine andere Musik könne die Intelligenz steigern. Zum selben Ergebnis kam auch eine Studie (.pdf), die das Bundesbildungsministerium 2006 unter dem Titel „Macht Mozart schlau?“ Schließlich meldeten sich auch Forscher aus Mozarts Heimat zu Wort. 2010 fertigte Jakob Pietschnig von der Universität Wien eine Metastudie an, für die er 39 Arbeiten auswertete, mit insgesamt über 3000 Teilnehmern. „Ich empfehle jedem, Mozarts Musik zu hören“, resümierte Pietschnig, „aber die Erwartung, dadurch eine Steigerung der eigenen kognitiven Leistungsfähigkeit zu erzielen, ist nicht erfüllbar.“
Neue Studie
Sylvain Moreno würde dem vermutlich widersprechen. Der Neurowissenschaftler am Baycrest-Forschungszentrum der Universität von Toronto, beschäftigt sich schon seit einigen Jahren mit der Frage, ob und wie Musik die Intelligenz eines Kindes fördert. In seiner neuen Untersuchung (.pdf), die jetzt im Fachjournal „Psychological Science“ erschienen ist, kommt er nämlich zu einem durchaus überraschenden Ergebnis: Demnach steigert Musikunterricht sehr wohl die Intelligenz von Kindern – zumindest indirekt.
Moreno gewann für seine Studie 48 Kinder im Alter zwischen vier und sechs Jahren. Alle unterzogen sich zunächst dem so genannten Wechsler Intelligenztest für das Vorschulalter, einem speziellen Test für Kinder zwischen zweieinhalb und sieben Jahren. Darin werden anhand altersgerechter Übungen die verbalen Fähigkeiten und das räumliche Vorstellungsvermögen getestet.
Danach teilte Moreno die Kinder in zwei Gruppen. Die einen beschäftigten sich gemeinsam mit einem Lehrer vier Wochen lang mit einer Lernsoftware, bei der es um erste musikalische Erziehung ging, hier gingen die Kleinen beispielsweise Rhythmus, Melodik oder Töne durch. Die andere Gruppe bekam im gleichen Zeitraum eine Lernsoftware zugeteilt, deren zentrales Element eher im künstlerischen Bereich lag – um das räumliche Vorstellungsvermögen zu trainieren, lernten sie hier Farben und Formen kennen. Beide Gruppen beschäftigten sich mit der Software fünf Tage die Woche, jeweils eine Stunde lang.
Nach insgesamt 20 Stunden durchliefen alle Kinder wieder den Wechsler-Test. Und siehe da: Eine der beiden Gruppen schnitt nun im verbalen Teil des Wechsler-Tests signifikant besser ab. Sie ahnen welche? Exakt: Die Musikgruppe. Mehr als 90 Prozent der Kinder in dieser Gruppe verbesserten ihre Punktzahl im Vergleich zum ersten Test. Die Künstler-Gruppe steigerte ihre Punktzahl hingegen nicht.
Moreno resümiert: Offenbar stimuliert Musik gewisse Hirnregionen, die dann wiederum das Sprachzentrum fördern – und dadurch gewissermaßen indirekt auch den Intelligenzquotient steigern.
Das war schon immer meine Vermutung. Gut, dass ich da richtig liege. Ich hätte auch so nicht auf Musik verzichtet. Außer der Schlauheit gibt es ja noch andere „Nebeneffekte“…
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