Hört, hört – 10 psychologische Fakten über Musik

„Musik ist die gemeinsame Sprache der Menschheit“, sagte einst der amerikanische Schriftsteller Henry Wadsworth Longfellow. Hier zehn weitere Erkenntnisse zur Psychologie der Musik.

Romantische Musik hilft beim Flirten: Der französische Psychologe Nicolas Guéguen von der Universität Bretagne-Sud in Lorient gewann für ein Experiment (.pdf) im Jahr 2010 87 Frauen im Alter von 18 bis 20. Vor einem Gespräch sollten sie fünf Minuten lang in einem Raum warten, der mit Musik beschallt wurde – und zwar entweder mit einem romantischen Liebeslied oder einem neutralen Song. Danach sollten sie mit einem jungen Mann über die Unterschiede zwischen einem normalen Keks und einem Biokeks diskutieren – also ein eher harmloses Thema. Am Ende des Gesprächs fragte der Mann alle Teilnehmerinnen nach ihrer Telefonnummer und lud sie auf einen Drink ein. Ergebnis: Nach dem harmlosen Lied rückten 28 Prozent der Frauen ihre Telefonnummer raus. Nach der romantischen Ballade waren es immerhin 52 Prozent. Vermutlich hatte das Liebeslied die Teilnehmerinnen in eine positive Grundstimmung versetzt – und dadurch wurden sie offener für einen Flirt.

Musik beeinflusst unser Einkaufsverhalten: Ein kleiner Tipp für Einzelhändler: Vielleicht sollten Sie Ihre Hintergrundmusik mal überdenken. Wie Adrian North von der britischen Universität von Leicester schon im Jahr 1997 zeigen konnte, beeinflusst Musik die Kaufentscheidungen der Kunden. In seiner Studie (.pdf) spielte ein Supermarkt mal französische Akkordeonmusik, mal deutsche Blasmusik. Und siehe da: Bei  Klängen aus Frankreich waren 77 Prozent der verkauften Weine ebenfalls französisch. Wurde deutsche Blasmusik gespielt, kamen 73 Prozent der verkauften Weine aus Deutschland.

Musik macht schneller betrunken: Und noch einmal Nicolas Guéguen. Für eine Studie (.pdf) im Jahr 2008 wählte er ungewöhnliche Beobachtungsobjekte – Bier trinkende Männer. Während des Versuchs wurden die Teilnehmer entweder mit Musik in moderater Lautstärke oder lauter Musik beschallt. Bei leiser Musik brauchte ein Mann im Schnitt 15 Minuten für ein Bier, bei lauter Musik war es bereits in weniger als 12 Minuten leer. Der Psychologe hat dafür zwei Erklärungen: Entweder klettert durch die laute Musik der allgemeine Erregungszustand der Gäste, wodurch sie schneller trinken – oder sie trinken mehr, weil eine Unterhaltung bei hoher Lautstärke ohnehin schwieriger wird.

Musik steigert die Ausdauer: Das konnte der Sportwissenschaftler Costas Karageorghis von der Londoner Brunel-Universität im Jahr 2008 nachweisen. Entscheidend ist die Wahl des richtigen Rhythmus‘. 30 Freiwillige trainierten auf einem Laufband, währenddessen hörten sie verschiedene Musik – beispielsweise von Queen, den Red Hot Chilli Peppers oder Madonna. In einigen Versuchen sollten die Probanden ihre Bewegungen genau an das Tempo der Musik anpassen, in anderen konnten sie ihre Laufgeschwindigkeit unabhängig von der Musik wählen. Als optimal erwies sich ein Rhythmus von 120 bis 140 Pulsschlägen pro Minute. Liefen die Probanden synchron zu einem solchen Rhythmus, brachten sie bis zu 15 Prozent mehr Leistung. Außerdem spürten sie die Anstrengung mit Musik weniger als ohne.

Musik hilft bei der Regeneration: Finnische Forscher um Teppo Sarkamo von der Universität von Helsinki fanden in einer Studie im Jahr 2008 heraus, dass Musik sogar Herzinfarktpatienten helfen kann. 60 Betroffene wurden in drei Gruppen eingeteilt. Mitglieder der Musikgruppe bekamen einen Discman und sollten über einen Zeitraum von zwei Monaten mindestens eine Stunde täglich ihrer Lieblingsmusik lauschen. Andere durften täglich Hörbücher konsumieren, die Kontrollgruppe hörte gar nichts. An zwei Zeiträumen – drei Monate und sechs Monate später –  durchliefen alle Teilnehmer verschiedene Aufmerksamkeits- und verbale Tests. Sie ahnen vermutlich, welche Gruppe am Besten abschnitt – die Musikgruppe.

Schon Babys haben Taktgefühl: Marcel Zentner von der britischen Universität von York spielte in einer Studie (.pdf) im Jahr 2008 120 Babys im Alter von fünf bis 24 Monaten verschiedene Klänge vor – darunter klassische Musik, rhythmisches Klopfen oder Sprache. Mithilfe moderner 3D-Technologie maß er, inwieweit die Kleinen auf die verschiedenen Töne reagierten. Resultat: Sie bewegten sich eher, wenn die Musik ertönte, als wenn sie bloß der Sprache lauschten. Mehr noch: Die Kleinen passten ihre Bewegungen sogar dem Tempo der Klänge an. Zentner zufolge reagieren Babys eher auf den Rhythmus von Musik als auf die jeweilige Melodie. Der Bewegungsdrang hatte übrigens noch einen weiteren positiven Effekt: Je synchroner die Bewegungen mit der Musik, desto mehr lächelten die Kinder.

Mozart-Musik macht nicht intelligenter: Es ist eine der beliebtesten Legenden der Wissenschaft – die Annahme, dass Mozart-Musik Kinder intelligenter macht. Der so genannte Mozart-Effekt. Österreichische Forscher um Jakob Pietschnig von der Universität Wien werteten für eine aktuelle Studie 39 Untersuchungen mit über 3000 Testpersonen aus. Wenig überraschend: Mozart hat keinen positiven Effekt auf die geistige Leistungsfähigkeit.

Gruppenzwang erzeugt Charthits: Es gehört zu den ungelüfteten Geheimnissen der Popmusik, was genau ein Lied zum Charthit macht. Matthew Salganik von der Columbia Universität in New York zog in einer Studie (.pdf) im Jahr 2006 ein überraschendes Ergebnis: Es liegt gar nicht am Lied selbst. Vielmehr ist eine Art Gruppenzwang dafür verantwortlich, welcher Song toppt oder floppt. Salganik gewann für eine Online-Studie über 14.000 Personen. Diese konnten auf einer Webseite zunächst 48 unbekannte Songs von unbekannten Bands herunterladen. Danach sollten sie deren Qualität auf einer Skala bewerten. Der Kniff: Einem Teil der Versuchspersonen verriet Salganik, wie oft der jeweilige Song bereits heruntergeladen wurde. Und siehe da: Jene Teilnehmer bewerteten die Lieder weitaus unterschiedlicher, da sie sich unterbewusst am Urteil anderer Hörer orientierten. Dies spricht laut Salganik dafür, dass der soziale Einfluss eine enorme Wirkung auf die Entscheidung jedes Einzelnen habe.

Musik wird weltweit verstanden: Der afrikanische Volksstamm der Mafa kommt selten in Kontakt mit westlicher Musik. Ein Forscherteam um Thomas Fritz vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig änderte das im Jahr 2009. Für eine Studie (.pdf) spielten die Wissenschaftler den Mafa verschiedene Musikstile vor, darunter Tango, Rock ’n‘ Roll oder Johann Sebastian Bach. Dabei sollte das Volk den unterschiedlichen Klängen die drei Grundstimmungen fröhlich, traurig oder bedrohlich zuordnen – was ihnen auch problemlos gelang.

Musik verringert die Merkfähigkeit: Wer etwas auswendig lernen muss, sollte währenddessen keine Musik hören, meinen Nick Perham und Joanne Vizard von der Universität von Wales in Cardiff. Für ein aktuelles Experiment der Psychologen bekamen 25 Probanden nacheinander acht Konsonanten gezeigt, danach sollten sie diese in der richtigen Reihenfolge wiedergeben – allerdings fand der Test in vier unterschiedlichen Situationen statt: Mal war es in dem Raum komplett still, mal hörten die Freiwilligen leise Musik, mal eine Stimme, die immer wieder die gleiche Zahl nannte oder aber eine Stimme, die wechselnde Zahlen nannte. Wer am schlechtesten abschnitt? Die Gruppe, die während des Tests Musik hörte. Am Besten schlugen sich diejenigen, die in Ruhe gelassen wurden. Buchstäblich.

37 Kommentare

  1. Musik und Emotionen

    Das größte Problem bei der Beantwortung der Frage, wie Musik Emotionen erzeugt, dürfte die Tatsache sein, dass sich Zuordnungen von musikalischen Elementen und Emotionen nie ganz eindeutig festlegen lassen. Die Lösung dieses Problems ist die Strebetendenz-Theorie. Sie sagt, dass Musik überhaupt keine Emotionen vermitteln kann, sondern nur Willensvorgänge, mit denen sich der Musikhörer identifiziert. Beim Vorgang der Identifikation werden die Willensvorgänge dann mit Emotionen gefärbt. Das gleiche passiert auch, wenn wir einen spannenden Film anschauen und uns mit den Willensvorgängen unserer Lieblingsfigur identifizieren. Auch hier erzeugt erst der Vorgang der Identifikation Emotionen.

    Weil dieser Umweg der Emotionen über Willensvorgänge nicht erkannt wurde, scheiterten auch alle musikpsychologischen und neurologischen Versuche, die Frage nach der Ursache der Emotionen in der Musik zu beantworten. Man könnte bei diesen Versuchen an einen Menschen denken , der einen Fernsehapparat aufschraubt und darin mit einer Lupe nach den Emotionen sucht, die er zuvor beim Ansehen eines Films empfunden hatte.

    Doch wie kann Musik Willensvorgänge vermitteln? Diese Willensvorgänge haben etwas mit dem zu tun, was alte Musiktheoretiker mit „Vorhalt“, „Leitton“ oder „Strebetendenz“ bezeichnet haben. Wenn wir diese musikalischen Erscheinungen gedanklich in ihr Gegenteil umkehren (der Ton strebt fort – ich will, dass der Ton bleibt), dann haben wir im Prinzip den Willensinhalt gefunden, mit dem sich der Musikhörer identifiziert. In der Praxis wird dann alles noch etwas komplizierter, so dass sich auch differenziertere Willensvorgänge musikalisch darstellen lassen.

    Weitere Informationen erhalten Sie über den kostenlosen Download des E-Books der Universität München „Musik und Emotionen – Studien zur Strebetendenz-Theorie“.

    Bernd Willimek

  2. Witzig, gerade heute habe ich mich gefragt, ob ich dich über Twitter nicht zu einem Musikthema herausfordere, weil du neulich schriebst, dass Psychologen mittlerweile fast alles erforscht hätten und ich weiß: wenn es einer weiß, dann du!

    Hier meine Frage, auf die du (oder einer der Psychologen) vielleicht eine Antwort hast: Warum kommt uns in bestimmten Situationen, die (vermeintlich) gar nichts mit einem bestimmten Lied zu tun haben, eben dieses eine spezielle ins Ohr?!

    Für Antworten dankbar
    Michael

  3. Was Musik alles „machen“ können soll; dabei sind nur unsere eigenen, meist reflexartigken Reaktionen gemeint.

    Musik „macht“ also gar nix außer zu erklingen oder zu drühnen…

    Wir sind es selbst, die wir darauf reagieren –

    und auf unterschiedliche Musik in verschiedenen Situationen und Umständen eben auch ganz unterschiedlich…

    Wann lernen wir, uns selbst und damit unser eigenes Tun nicht dauernd zu übersehen?

  4. „Dies spricht laut Salganik dafür, dass der soziale Einfluss eine enorme Wirkung der soziale Einfluss auf die Entscheidung jedes Einzelnen habe.“

    Den sozialen Einfluss erwähnst du einmal zu viel. 🙂

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