Richtigstellung: Blondinen-Studie reine Erfindung

Seit etwa sechs Wochen betreibe ich nun alltagsforschung.de. Ich gebe offen zu, dass ich nicht Psychologie oder Soziologie studiert habe – sondern mich hauptsächlich privat für diese Themen interessiere. Mein Chef sagt immer: Qualität kommt von quälen – insofern ist es vermutlich normal, dass mir Fehler unterlaufen. So auch vor einigen Tagen.

Die BBC berichtete über eine angebliche US-Studie, demzufolge blonde Frauen aggressiver seien als dunkelhaarige. Ein Forscher habe das in einem Experiment mit 156 Frauen herausgefunden. Mich beschlich zwar das Gefühl, dass etwas mit der Studie nicht stimmt, weil der BBC-Artikel sie nicht wirklich erklärte. Aber – mein erster Fehler: Ich verdrängte die Vorahnung.

Ich sah diese Studie abends zu Hause und bereitete einen schnellen Blogeintrag für den nächsten Tag vor. Vorher besuchte ich die Website des verantwortlichen Wissenschaftlers, weil ich seine Studie hier gerne direkt verlinkt hätte – und konnte die Studie nicht finden. Zweiter Fehler: Ich hätte ihn anschreiben können, tat es aber nicht. Teils aus Bequemlichkeit, teils aus dem Gefühl heraus: Hey, wenn die BBC darüber schreibt, wird es schon stimmen.

So dachten wohl viele – denn das Medienecho auf die Studie war riesig. Und zwar nicht nur in Deutschland (hier, hier, hier, hier oder hier), sondern weltweit (hier, hier, hier oder hier). Gestern berichtete auch die Bild-Zeitung über die Studie.

Der Haken: Die Studie ist eine Ente.

Im US-Blog Mind Hacks habe ich vorhin eine kurze Notiz gelesen, die wiederum auf eine Richtigstellung verweist. Der Amerikaner Ryan Sager hatte nämlich dasselbe ungute Gefühl wie ich – allerdings hat er im Unterschied zu mir Aaron Sell kontaktiert.

Was war passiert?

Aaron Sell hatte zwar in der Tat eine Studie erstellt (hier das pdf-Dokument). Dort ging es um die Entstehung menschlicher Wut. Sell hatte herausgefunden, dass Frauen, die sich selbst für sehr attraktiv halten, mit höherer Wahrscheinlichkeit schneller wütend werden und glauben, ein natürliches Anrecht darauf haben, gut behandelt zu werden. Sozusagen wie eine verwöhnte Prinzessin. So weit, so gut.

Sell wurde daraufhin vom Autor des ersten Artikels über die angebliche Blondinen-Studie kontaktiert – und darum gebeten, seine Ergebnisse in verschiedene Haarfarben zu unterteilen. Sell fand heraus:

1. Blonde Frauen fühlen sich nicht wie eine Prinzessin.
2. Blonde Frauen werden nicht schneller wütend.
3. Blonde Frauen sind nicht aggressiver.
4. Blonde Frauen fühlen sich selbst nicht attraktiver als Dunkelhaarige.

Was diese Ergebnisse mit den oben erwähnten Berichten zu tun haben? Genau: gar nichts.

Wie sagt der US-Autor Tim Ferriss: „Wenn Du aus einem Fehler, der Dich nicht umbringt, eine wertvolle Lektion lernst, die Dir später einmal helfen wird, dann ist das sehr wertvoll.“

6 Kommentare

  1. Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass Nachrichten aus großen Medienhäusern gut recherchiert sind. Wer den Bildblog liest, weiß was ich meine.
    Zwar ist die Quote bei großen Namen vielleicht ein wenig besser, aber Schlamperei gibt es überall – Gerade bei der BBC.

    Passiert. 😉

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