Nett gemeint – Warum Komplimente manchmal nach hinten losgehen

Eigentlich ist es angenehmer, über andere Menschen nur Gutes zu berichten – anstatt über sie zu lästern. Doch eine Studie zeigte kürzlich: Solche Komplimente können auch gewaltig nach hinten losgehen.

Bekanntermaßen ist „nett“ der kleine Bruder von „scheiße“. Wer jemanden so nennt, meint häufig etwas anderes – er traut sich bloß nicht, es auszusprechen. Wer sein erstes Date „ganz okay“ fand, wird nicht die große Liebe gefunden haben. Und wer auf dem Zeugnis attestiert bekam, „stets bemüht“ gewesen zu sein, der hatte vor allem eines: eine Lehrerin, die die Wahrheit lieber verschwieg.

Solche Höflichkeitsfloskeln haben durchaus ihre Berechtigung. Die Welt wäre vielleicht ein ehrlicherer Ort, wenn wir unseren Mitmenschen immer und überall sagen würden, was wir von ihnen halten – aber ein friedlicherer Ort wäre sie definitiv nicht. Es ist schlicht unmöglich, immer und überall die Wahrheit zu sagen.

Dasselbe gilt für Situationen, in denen wir jemandem von einer dritten Person berichten: Wer es mit seinem Urteil übertreibt und den anderen allzu sehr in die sprichwörtliche Pfanne haut, schadet nicht selten seinem eigenen Ruf. Der US-Psychologe John Skowronski konnte bereits 1998 in einer Studie nachweisen: Menschen werden häufig genau jene Eigenschaften zugeschrieben, die sie über andere verbreiten. Oder wie der Volksmund sagt: Wie man es in den Wald hineinruft, so schallt es eben auch wieder hinaus. Doch selbst wenn wir ausschließlich Gutes über jemanden berichten, kann das von unserem Gesprächspartner falsch aufgefasst werden.

Das zeigte kürzlich eine Studie von Psychologen um Nicolas Kervyn von der Katholischen Universität im belgischen Louvain. Im ersten Versuch sollten sich 139 Studenten ausmalen, Teil einer dreiköpfigen Arbeitsgruppe zu sein, die ein viertes Mitglied auswählen müsse – und zwar entweder für eine gemeinsame Reise in den Semesterferien oder ein Studienprojekt. Die imaginären Gruppenpartner beschrieben das vierte Mitglied entweder als sehr sympathische, gesellige und aufgeschlossene Person; oder als sehr klug, fleißig und kompetent.

Nun sollten die Probanden ihr Urteil über die Person abgeben – wie warmherzig und kompetent sie sie fanden, wie sympatisch sie ihnen war oder ob sie glaubten, dass die Person zu ihrer Gruppe passe. Und siehe da: Ihr Urteil hing erheblich von der jeweiligen Situation ab. Ging es um eine gemeinsame Reise, bekam die gesellige Person viele Sympathiepunkte. Wurde hingegen ein Arbeitskollege gesucht, erhielt ein und dieselbe Person wesentlich weniger Sympathiepunkte.

Die gleiche Reaktion zeigten die Freiwilligen, wenn die intellektuellen Fähigkeiten gepriesen wurden. Waren die Probanden auf der Suche nach einem Reisepartner, sorgten eben diese Qualitäten nicht für Begeisterung. Ganz im Gegenteil: Sie lehnten es sogar eher ab, die Person in ihrer Gruppe zu haben.

Der Anspielungseffekt

Dasselbe Resultat erzielten Kervyn und Co. in weiteren Versuchen: Jedes Mal bekamen die Probanden vermeintlich positive Informationen über einen Mitmenschen. Doch ob sie diese zu schätzen wussten, hing vom jeweiligen Kontext ab. Mehr noch: Positive Angaben sorgten mitunter sogar für eine negative Reaktion – dann nämlich, wenn die speziellen Eigenschaften nicht zur Situation passten.

Nicolas Kervyn nennt das den „innuendo effect“ (Anspielungseffekt). Demnach neigen wir häufig dazu, selbst aus positiven Beschreibungen negative Rückschlüsse zu ziehen – und zwar dann, wenn diese Beschreibungen tendenziell irrelevant sind. Mit einem Mitreisenden müssen wir uns in erster Linie menschlich gut verstehen, sein IQ ist nebensächlich – beim Arbeitskollegen ist es bisweilen umgekehrt.

Daher appelliert Kervyn auch daran, sich bei Komplimenten immer über den Kontext Gedanken zu machen – und sich vorher zu fragen, was das Gegenüber wissen will. Wer einem guten Freund beispielsweise bei der Jobsuche helfen will, sollte demnach weniger seinen tollen Humor preisen – denn darunter leidet womöglich das Ansehen des Freundes. Will man ihn verkuppeln, ist es natürlich andersherum.

Im Zweifelsfall gilt ohnehin das alte Sprichwort: Wer nichts Nettes zu sagen hat, sollte eben den Mund halten.

Quelle:
Nicolas Kervyn, Hilary Bergsieker, Susan T. Fiske. The innuendo effect: Hearing the positive but inferring the negative. Journal of Experimental Social Psychology, August 2011.

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