Botox glättet nicht nur die Falten im Gesicht, sondern lindert womöglich auch Depressionen. Zu diesem Ergebnis kommt jetzt zumindest eine neue Studie.
Wahrscheinlich ist es Geschmackssache, aber mir sind diese straffen, starren, operierten Gesichter zu unnatürlich. Viele Menschen sehen das völlig anders.
Botulinumtoxin, besser bekannt unter dem Markennamen Botox, ist inzwischen weltweit erfolgreich. Bereits Ende der Sechzigerjahre interessierten sich Mediziner für das Bakterium namens Clostridium botulinum. Als sie den Giftstoff verdünnten, konnten sie bei schielenden Menschen die Augenmuskulatur beeinflussen – mit dem Ergebnis, dass diese wieder geradeaus schauten.
Der Grund: Das Gift blockiert die Signalübertragung der Nerven und lähmt die Muskeln. Deshalb glättet es auch Lach-, Schmunzel- oder Zornesfalten. Davon profitiert heute vor allem das US-Pharmaunternehmen Allergan. Im Jahr 2013 setzte der Botox-Marktführer alleine mit dem Gift etwa 1,9 Milliarden US-Dollar um.
Gestörte Signale
Inzwischen mehren sich jedoch die Hinweise darauf, dass Botox nicht nur Gesichter strafft und Falten entfernt, sondern auch physische Schmerzen lindert. Denn es blockiert die Übertragung von Neurotransmittern, den Botenstoffen zwischen den Nervenzellen. Vereinfacht gesagt verhindert der Stoff, dass Schmerzen im Gehirn ankommen. Deshalb will Allergan den Stoff auch gegen chronische Migräne einsetzen.
Doch offenbar kannn Botox noch mehr. Das behaupten zumindest die beiden Psychiater Eric Finzi und Norman Rosenthal. Für ihre Studie, die demnächst im Journal of Psychiatric Research erscheint, gewannen sie 74 Patienten, die alle wegen schwerer Depressionen in Behandlung waren. Nun teilten die Wissenschaftler sie in zwei Gruppen.
33 Freiwillige erhielten an verschiedenen Stellen auf der Stirn Botox injiziert, die restlichen 41 bekamen eine wirkungslose Salzlösung. Natürlich verschwiegen die Forscher den Probanden, zu welcher Gruppe sie gehörten.
Sechs Wochen nach der Spritze untersuchten sie die Probanden erneut. Und siehe da: 52 Prozent der Botox-Gruppe zeigten nun weniger Anzeichen von Depressionen. Sie erzielten in einem entsprechenden Test mindestens 50 Prozent bessere Werte. Aus der Placebo-Gruppe verbesserten sich im Schnitt nur 15 Prozent der Teilnehmer.
Dieses Ergebnis deckt sich mit einer Studie aus dem Jahr 2012. Axel Wollmer von der Universität Basel konnte darin erstmals zeigen, dass im Bereich der Stirn injiziertes Botox die Symptome einer Depression lindert. Schon nach zwei Wochen waren die Teilnehmer weniger depressiv. Nach sechs Wochen hatte sich bei 60 Prozent die Schwere der Depressions-Symptome mindestens halbiert. In der Placebo-Gruppe besserten sich die Symptome nur geringfügig.
Aber warum lindert Botox womöglich Depressionen?
Wissenschaftler erklären sich das mit der Facial-Feedback-Hypothese. Die besagt: Unsere Mimik drückt nicht nur aus, wie wir uns gerade fühlen – sondern beeinflusst unsere Stimmung auch. Anders formuliert: Die Mimik ist das Ergebnis unserer Laune – aber unsere Laune ist auch das Ergebnis unserer Mimik.
Bei Emotionen wie Ärger, Angst oder Traurigkeit – Emotionen, die bei Menschen mit Depressionen häufig auftreten -, werden Muskeln im Bereich der unteren mittleren Stirn aktiviert. Genau diese Muskeln werden durch Botox vorübergehend gelähmt. Übertrieben formuliert: Wo keine Stirn mehr gerunzelt wird, verschlechtert sich die Laune auch nicht.
Womöglich reagiert das Gehirn also positiv, wenn wir fröhlicher dreinblicken. Und dieser Effekt wird durch Botox künstlich gefördert.
Quelle:
Eric Finzi und Norman Rosentha (2014). Treatment of depression with onabotulinumtoxin: A randomized, double-blind, placebo controlled trial. Journal of Psychiatric Research, Band 52, Seite 1–6
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