Wann Vorfreude am schönsten ist – und wann nicht

Angeblich ist Vorfreude die schönste Freude. Aber stimmt das wirklich? Eine neue Studie resümiert: Es kommt drauf an, worauf wir warten.

Es ist schon paradox: Auf der einen Seite gilt Vorfreude als schönste Freude überhaupt. Demnach ist der Verzögerungsgenuss größer als das eigentliche Erlebnis. Auf der anderen Seite neigen Menschen zur Ungeduld. Wir warten nicht gerne, egal ob es um ein heiß ersehntes Kleidungsstück oder einen längst überfälligen Urlaub geht.

Aber was überwiegt – der Einfluss der Vorfreude oder die Macht der Ungeduld? Es kommt drauf an – und zwar darauf, ob wir ein Produkt oder ein Erlebnis kaufen.

Das behaupten jetzt US-Psychologen um Amit Kumar. Der Doktorand der Cornell Universität teilte im ersten Experiment seiner Studie 97 Freiwillige in zwei Gruppen. Die einen sollten sich vorstellen, Geld für ein Erlebnis auszugeben – eine Reise oder ein Konzert beispielsweise. Die anderen sollten an den Kauf eines Produkts denken, etwa ein Kleidungsstück oder ein neues Smartphone.

Nun sollten alle Probanden zwei Fragen auf einer Skala beantworten. Wie fühlte sich die Vorfreude an (minus 4: wie Ungeduld, plus 4: wie Aufregung)? Und wie angenehm war die Vorfreude (Minus 4: überhaupt nicht, plus 4: sehr)?

Und siehe da: Obwohl sich die Kosten der imaginierten Käufe nicht wesentlich voneinander unterschieden, empfanden die Erlebniskäufer mehr Vorfreude als die Produktkäufer: Sie vergaben bei der zweiten Frage im Schnitt 2,64 Punkte, die anderen nur 1,37 Punkte.

Mehr noch: Die Vorfreude fühlte sich bei ihnen auch stärker nach positiver Aufregung und weniger nach negativer Ungeduld an als bei der anderen Gruppe.

Dasselbe Ergebnis erhielt Kumar in einem weiteren Experiment. Hier sollten sich die Freiwilligen daran erinnern, wie sie mal auf einen Kauf hingefiebert hatten. Wieder empfanden die Erlebniskäufer die Vorfreude angenehmer als die Produktkäufer.

Für einen weiteren Versuch griff Kumar auf die Daten einer US-Langzeitstudie zurück. Tausende von Nutzern hatten sich dafür bereits auf der Website trackyourhappiness.org angemeldet.

Nun schickte Kumar knapp 2300 Teilnehmern mehrmals täglich eine Nachricht: Wie glücklich sind Sie gerade (0: überhaupt nicht, 100: sehr)? Denken Sie aktuell über einen Kauf nach? Falls ja, handelt es sich dabei um einen Erlebnis- oder einen Produktkauf? Und wie fühlt sich das an?

Das Resultat: Im Vergleich zu materiellen Käufen waren die Erlebniskonsumenten glücklicher. Ihre Vorfreude fühlte sich einfach besser an.

Die Studie liefert ein weiteres Argument dafür, warum wir unser Geld für Erlebnisse ausgeben sollten. Und zwar nicht nur, weil Materialismus unglücklich macht. Sondern auch deshalb, weil die Vorfreude auf ein Produkt getrübt wird durch Ungeduld – während die Antizipation eines Erlebnisses gewissermaßen ungetrübt ist.

Vielleicht deshalb, weil wir uns ein Erlebnis anders ausmalen als einen Gegenstand. Vom neuen Smartphone haben wir zumindest ein ungefähres Bild – aber wie der Urlaub in einem fremden Land abläuft, wissen wir vorher nicht. „Die Gedanken an ein Erlebnis sind meist abstrakter“, schreibt Kumar, „und deshalb auch befriedigender.“

Quelle:
Amit Kumar, Matthew Killingsworth und Thomas Gilovich (2014). Waiting for Merlot: Anticipatory Consumption of Experiential and Material Purchases. Psychological Science

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