Trauriges Schicksal – Was wurde aus Little Albert?

Es ist eines bekanntesten und zugleich grausamsten Experimente in der Geschichte der Psychologie: John B. Watsons Versuch mit „Little Albert“, einem neun Monate alten Baby. Ein Wissenschaftler hat Albert gesucht – und gefunden.

Der amerikanische Psychologe John B. Watson gilt als Begründer des Behaviorismus. Vereinfacht gesagt hatten es sich deren Vertreter zum Ziel gesetzt, das Verhalten von Menschen und Tieren mit naturwissenschaftlichen Methoden zu untersuchen. Watson meinte, dass wir nur dann etwas über uns erfahren, wenn äußere Reize auf uns einwirken – und das wir nur durch unsere Umwelt geprägt werden. Unter dieser Annahme musste im Jahr 1920 auch ein kleines Baby leiden.

Zu Beginn des Experiments war „Little Albert“ – so zumindest taufte ihn Watson damals -, neun Monate alt. Watson konfrontierte den Kleinen kurz mit verschiedenen Tieren, mit denen Albert bislang noch nie Kontakt gehabt hatte: einem Kaninchen, einem Hund, einem Affen und einer weißen Ratte. Doch nichts passierte – Albert hatte weder Angst noch fing er an zu weinen. Stattdessen griff er stets neugierig nach den Tieren.

Zwei Monate später führte Watson das Experiment erneut durch – mit einem entscheidenden Unterschied. Jedes Mal, wenn Albert die weiße Ratte sah, schlug Watson im Hintergrund mit einem Hammer auf eine Eisenstange – und dieses metallische Geräusch konnte Albert deutlich hören. Was jetzt passierte? Beim zweiten Hämmern wollte Albert die Ratte schon nicht mehr anfassen, nach sieben Wiederholungen hatte er bereits Angst vor ihr. Am Ende fürchtete er sich sogar vor Dingen, die ihn an die Ratte eirnnerten – beispielsweise weißen Bärten, Baumwollbüscheln oder Fellen.

Hier nochmal ein Video des Versuchs (bitte entschuldigen Sie die schlechte Qualität)

Der Versuch ist in die Geschichte der Psychologie eingegangen – und das nicht nur, weil das Experiment nach heutigen Maßstäben zurecht sadistisch und grausam erscheint. Sondern auch deshalb, weil es zeigt, dass unsere Ängste durch äußere Einflüsse entstehen können.

Jahrzehntelange firmierte Watsons Versuchsperson einfach nur als „Little Albert“ – eben weil Watson ihm diesen Namen gegeben hatte. Niemand wusste, ob dieser Name wirklich stimmte oder was aus dem Kleinen geworden war. Eine Ungewissheit, die den US-Psychologen Hall Beck nie los ließ. Deshalb nahm er sich vor, Little Albert ausfindig zu machen. In der aktuellen Ausgabe des „Psychologist“, eines Magazins der britischen psychologischen Gesellschaft, berichtet Beck jetzt erstmals von seiner akribischen Recherche.

Ausgangspunkt von Becks Suche war die Johns Hopkins Universität im US-Bundesstaat Maryland. Dort hatte Watson sein Experiment einst abgehalten – allerdings im Jahr 1920. Zudem hatte er über Alberts Mutter lediglich verraten, dass sie als Amme am örtlichen Krankenhaus arbeitete. Also durchforstete Beck die Geburtsregister und versuchte zu rekonstruieren, wann der Kleine zur Welt gekommen sein könnte. So stieß er schließlich auf eine Frau namens Arvilla Merritte. Hier endete die Spur zunächst. Doch dann entdeckte Beck ihren Mädchennamen „Irons“ – und nahm Kontakt zu ihren heutigen Nachkommen auf, die immer noch in der Nähe der Universität lebten.

Ihr Enkel Gary Irons – sein Vater Maurice war ebenfalls ein Sohn von Arvilla Merritte -, brachte schließlich den entscheidenden Hinweis: Er hatte in den Familienarchiven ein Foto von Arvilla Merritte und ihrem Sohn Douglas aufgetrieben. Das Bild schickte Beck einem Experten der amerikanischen Bundespolizei FBI – und der kam nach einer umfassenden Analyse zu dem Ergebnis, dass es sich bei Douglas Merritte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um den Jungen aus dem Video handelte. Little Albert hieß in Wahrheit Douglas Merritte.

Sieben Jahre hatte Beck nach Little Alberts wahrer Identität geforscht. Am Ende musste er feststellen, dass seine Suche länger gedauert hatte als der Kleine gelebt hatte. Gary Irons begleitete Beck zu einem kleinen Friedhof. Auf einem Grabstein stand: „Douglas, Sohn von Arvilla Merritte. 9. März 1919 – 10. Mai 1925.“ Der Junge war im Alter von sechs Jahren an einem Hirnschaden gestorben.

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