Soziale Netzwerke – Höheres Alter, weniger Freunde

Niemand geht gerne allein durchs Leben. Aber wie entwickeln sich soziale Kontakte im Laufe unseres Lebens? Wird unser soziales Netzwerk immer kleiner? Eine neue Studie weiß die Antworten.

Mitschüler, Kommilitonen, Kollegen, Eltern, Geschwister und Freunde – Menschen begleiten uns durch unser ganzes Leben. Mal mehr, mal weniger intensiv.

Schon lange beschäftigen sich Wissenschaftler damit, wie Freundschaften entstehen. Der britische Anthropologe Robin Dunbar meint sogar, die Zahl unserer Freunde bestimmen zu können. Demnach lässt unser Gehirn es zu, dass wir zu maximal 150 Menschen Kontakt haben – die so genannte Dunbar-Zahl.

Auch am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin widmen sich Forscher menschlichen Netzwerken. Und jetzt hat die dortige Wissenschaftlerin Cornelia Wrzus eine neue Studie vorgelegt. Gemeinsam mit einigen Kollegen wertete sie dafür insgesamt 277 Untersuchungen aus: 214 Artikel, neun Dissertationen, drei Bücher – und damit das Leben von knapp 180.000 Menschen, von der Jugend bis ins hohe Alter.

Die Studie gehört zum Gebiet der so genannten Lebensspannenpsychologie. Deren zentrale Annahme ist, dass Menschen ihre Entwicklung aktiv mitgestalten – und damit auch ihren Freundes- und Bekanntenkreis. Doch wesentlich umstrittener ist, welche Mechanismen dahinterstecken.

Auf der einen Seite stehen die Vertreter der sozioemotionalen Selektivitätstheorie. Klingt mal wieder schrecklich kompliziert, ist aber eigentlich ganz simpel. Die Theorie geht zurück auf die US-Psychologin Laura Carstensen. Sie geht davon aus, dass Menschen ihr Handeln bewusst danach ausrichten, wie viel Zeit ihnen noch auf der Erde bleibt. Und diese Perspektive wirkt sich auch auf unsere sozialen Kontakte aus.

In Kindheit und Jugend, wenn da noch so viel Zukunft ist, wollen wir demnach vor allem neue Eindrücke gewinnen und neue Menschen kennenlernen – was sich mit einem großen sozialen Netzwerk am besten bewerkstelligen lässt. Doch je älter wir werden, desto wichtiger werden Aspekte wie Sicherheit und Geborgenheit, da die sprichwörtliche Uhr langsam abläuft – und umso mehr Wert legen wir auf stabile Freundschaften mit weniger Personen.

Auf der anderen Seite steht das Modell des sozialen Konvois. Deren Begründer Robert Kahn und Toni Antonucci behaupteten, dass Menschen von mehr oder weniger engen Bekannten durchs Leben begleitet werden, und dass vor allem die Beziehungen zu Partnern und Verwandten am stärksten sind – unabhängig von den Lebensumständen.

Die Studie von Cornelia Wrzus gibt nun beiden Theorien Recht. Denn sie fand heraus, dass unser gesamtes soziales Netzwerk – also alle Personen, mit denen wir Kontakt haben -, bis ins junge Erwachsenenalter steigt und dann stetig sinkt. Auf dem Foto ist das schön zu sehen – auf der x-Achse das Durchschnittsalter, auf der y-Achse die Größe des Netzwerks. Vor allem in der Pubertät steigt die Zahl unserer Kontakte demnach, von Mitte 20 bis Anfang 30 bleiben sie konstant, ab dann geht es langsam abwärts.

Eine Hochzeit wirkt sich nicht entscheidend auf die Kontakte aus, der Verlust des Partners hingegen schon: Er verringert sowohl das persönliche Netzwerk, bestehend aus Partnern und Freunden, als auch das familiäre Netzwerk aus Geschwistern, Eltern und sonstigen Verwandten. Interessant: Am stärksten schrumpfte das Freundesnetzwerk bei einem Umzug.

„Die Entwicklung des sozialen Netzwerks ist abhängig von unserem Alter“, schreibt Wrzus, „und altersbedingte Begebenheiten können Änderungen daran hervorrufen.“

Quelle:
Cornelia Wrzus et al (2012). Social Network Changes and Life Events Across the Lifespan: A Meta-Analysis. Psychological Bulletin.

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