Overconfidence-Effekt – Übermut tut manchmal gut

Glaubt man dem Sprichwort, tut Übermut selten gut. Glaubt man einer neuen Studie, ist Übermut eine ziemlich sinnvolle Sache. Das behaupten zumindest zwei US-Professoren.

Die Geschichte ist reich an Personen, die an ihrer eigenen Hybris zugrunde gingen. Besonders prominent ist die griechische Sagengestalt Ikarus, der zu nah an die Sonne heranflog, dabei seine Flügel aus Wachs zum Schmelzen brachte und den anschließenden Sturz ins Meer nicht überlebte. Ein klassisches Beispiel für Hybris.

Übermut tut selten gut, meint der Volksmund. Dahinter steckt ein psychologischer Mechanismus, den die beiden Ökonomie-Nobelpreisträger Daniel Kahneman und Amos Tversky den Overconfidence-Effekt nennen. Demnach gehen wir, vereinfacht gesagt, davon aus, dass wir viel mehr wissen und mehr können, als das tatsächlich der Fall ist. Mit teilweise dramatischen Folgen: Selbstüberschätzung führt zu falschen Urteilen, riskanten Entscheidungen und mitunter fatalen Fehlern.

Stopp!, rufen jetzt jedoch die beiden US-Wissenschaftler Dominic Johnson (Universität von Edinburgh) und James Fowler (Universität von Kalifornien in San Diego). In ihrer Studie, die gerade im angesehenen Fachjournal „Nature“ erschienen ist, widmen sie sich dem Hang zur Hybris aus einer evolutionären Perspektive. Ihre Ausgangsfrage lautet: Wenn Selbstüberschätzung wirklich so gefährlich ist – warum hat sie dann im Laufe der Jahrhunderte überlebt? Die zugegebenermaßen diskutable Antwort lautet: weil Selbstüberschätzung notwendig und nützlich ist.

In ihrer Untersuchung, die Sie hier (.pdf) kostenlos herunterladen können, bedienen sich Johnson und Fowler einem Modell aus der Spieltheorie. Ich will Sie jetzt nicht mit den Details langweilen, daher nur die Zusammenfassung: Die Wissenschaftler stellten fest, dass es sich in gewissen Situationen auszahlt, die eigenen Kompetenzen grandios überzubewerten. „Die selbstherrlichen Spieler gewannen nicht immer“, schreiben die Wissenschaftler, „aber wenn sie gewannen, dann mit riesigem Abstand.“

Dies war immer dann der Fall, wenn der potenzielle Ertrag viel größer war als der Schaden, den man dabei erleiden konnte. Die Hybris erwies sich als nützlich, weil sie den Ehrgeiz förderte, aber auch die Moral, die Glaubwürdigkeit und die Ausdauer. Alles Tugenden also, die sich in einem Wettbewerb oder Konflikt üblicherweise auszahlen – und deshalb weiterhin bestehen.

Auch im wahren Leben. Die Wissenschaftler nennen hierbei vor allem den Bereich der internationalen Beziehungen, den Klimawandel oder die Finanzbranche. Ihr Fazit: „Selbstüberschätzung entsteht ausgerechnet in den gefährlichsten Situationen.“

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