Moralisches Dilemma – Würden Sie einen Menschen töten, um fünf zu retten?

Folgende Situation: Ein Güterwagen rollt führerlos auf fünf Menschen zu. Um deren Tod zu vermeiden, muss der Waggon auf ein anderes Gleis umgeleitet werden – doch dort würde er einen Menschen töten. Wie würden Sie entscheiden?

Bei diesem Gedankenspiel handelt es sich um das so genannte Trolley-Problem, das uns vor ein grundsätzliches Problem stellt. Würden wir die Weiche umstellen und somit fünf Leben retten? Nach dem Motto: Besser ein Toter als fünf Tote? Oder scheuen wir davor zurück, Richter über Leben und Tod zu spielen und lassen den Wagen einfach rollen?

Genau diese Frage stellte jetzt der Evolutionspsychologe Carlos David Navarrete von der Michigan State Universität in einer neuen Studie.

In der Vergangenheit konnten Wissenschaftler nachweisen, dass sich knapp 90 Prozent der Menschen beim Trolley-Problem für erstere Variante entscheiden. Doch Navarrete ging in seiner Untersuchung noch ein Stück weiter. Er fragte seinen Probanden nicht bloß, wie sie sich theoretisch verhalten würden – sondern ließ sie die Situation ganz praktisch nachempfinden. Virtuell, versteht sich.

293 Freiwillige setzten sich eine spezielle 3-D-Brille auf, die sie in eine computeranimierte Landschaft versetzte. Nun teilte Navarrete die Probanden in zwei Gruppen: Gruppe A musste einen Knopf drücken, um den Zusammenprall des Güterwaggons mit fünf Personen zu vermeiden – und stattdessen eine Person auf dem Nebengleis zu töten. Gruppe B hingegen musste sozusagen nichts tun: Wenn deren Mitglieder den Knopf nicht drückten, rollte der Waggon auf eine Person zu und verschonte die fünf Personen auf dem anderen Gleis.

Wie sich die Probanden verhielten? Ziemlich ähnlich. Von den 147 Probanden in Gruppe A zogen es 133 vor, den Knopf zu drücken und „lieber“ eine Person zu töten anstatt fünf Personen. Macht also knapp 90 Prozent. Aus Gruppe B entschieden sich 94 von 146 Teilnehmern dazu, den Knopf nicht zu drücken, 35 drückten ihn zunächst, entschieden sich dann aber spontan um und brachten ihn doch wieder in seine Ausgangsposition. Insgesamt entschieden sich hier also 129 Personen, eine Person zu töten – ein Anteil von 88,5 Prozent.

„Das Gebot ‚Du sollst nicht töten‘ wird schnell vernachlässigt“, resümiert Carlos David Navarrete, „dann nämlich, wenn wir damit ein höheres Ziel verfolgen.“

Quelle:

Carlos David Navarrete, Melissa M. McDonald, Michael L. Mott, und Benjamin Asher. Virtual Morality: Emotion and Action in a Simulated Three-Dimensional „Trolley Problem“. Emotion, 2011.

12 Kommentare

  1. @Dee: Vielen Dank für deinen Kommentar. Du hast recht, ich hatte mich vertan. Habe noch mal in der Studie nachgeschaut – jetzt stimmt es…ach ja, und danke für das Lob 🙂

  2. Also 94 von 146 sind doch „nur“ 64,3 Prozent und nicht 88,5 Prozent …

    PS: Und alles Gute zum Blog-Geburtstag. Mach weiter so … (nur ohne Rechenfehler ;)).

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