Hartes Urteil – Pausen beeinflussen Richtersprüche

Richter sollen unabhängig sein, fair und objektiv. Soweit die Theorie. In der Praxis sieht das jedoch anders aus, resümiert eine neue Studie. Demnach hängt das Urteil erheblich von der Tageszeit ab – und von den Arbeitspausen.

Shai Danziger von der Ben Gurion Universität in Be’er Scheva analysierte für seine Untersuchung mehr als 1000 Bewährungsanträge an israelischen Gerichten, die über einen Zeitraum von zehn Monaten gestellt worden waren. In jeder dieser Verhandlungen war der Angeklagte vor einem Richter erschienen und hatte darum gebeten, die Haftstrafe auf Bewährung auszusetzen. Der Richter wiederum konnte der Bitte nachkommen oder sie ablehnen.

Man muss sich diese Arbeit ein wenig wie am Fließband vorstellen. Pro Tag hatten die Richter zwischen 14 und 35 Verhandlungen, die in drei verschiedenen Sitzungen bearbeitet wurden: Die erste ging von früh morgens bis zum frühen Vormittag, in der Pause nahmen die Richter meist eine Art zweites Frühstück ein. Die folgende Sitzung ging dann bis zur Mittagspause, die dritte startete danach und reichte bis zum Feierabend.

Als Danziger die Urteile mit der jeweiligen Tageszeit verglich, bemerkte er: Die Gnade des Richters hing ganz erheblich von der Uhrzeit ab. Fällte er das Urteil am frühen Morgen, gab er dem Antrag der Angeklagten wesentlich häufiger statt als am Nachmittag. Mehr noch: Die Chance einer Bewährungsstrafe war mehr als doppelt so hoch, wenn der Angeklagte gleich zu Beginn einer der drei Sitzungen an der Reihe war.

Am Beginn des Tages lag die Erfolgsquote der Gefangenen noch bei 65 Prozent, doch danach sackte sie rapide ab – bis zur nächsten Pause fiel sie auf knapp null Prozent. Nach der ersten Pause war das Bild ähnlich: Am Anfang der neuen Sitzung gönnten die Richter den Gefangenen häufig die Bewährungsstrafe, im weiteren Verlauf wurden sie zu Hardlinern und lehnten die Anträge meist ab.

Danziger erklärt sich seine Beobachtung wie folgt: Ein Urteil in eine Bewährungsstrafe umzuwandeln, erfordere schlicht mehr Anstrengung – und zwar sowohl geistiger als auch körperlicher Natur. Das Urteil dauere länger, die schriftliche Begründung müsse ausführlicher sein. Und diese Energie bringen die Richter offenbar am ehesten zu Beginn einer Sitzung auf – übrigens völlig unabhängig vom Vergehen des Angeklagten.

Und so liefert die Studie ein Beispiel dafür, dass selbst vermeintlich objektive Richter zu irrationalem Verhalten neigen – und ein Urteil mit all seinen ernsten Konsequenzen häufig von so etwas banalem abhängt wie der Uhrzeit.

[via Not Exactly Rocket Science]

3 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert