Eigenschaften sind ansteckend – Wie soziale Netzwerke unser Verhalten beeinflussen

Eins ist klar: Wer erkältet ist, kann andere anstecken, wenn er ihnen die Hand schüttelt. Viren übertragen sich durch Austausch von Körperflüssigkeiten. So weit, so klar. Doch in den letzten Jahren haben auch Psychologen und Sozialwissenschaftler das Thema Ansteckungsgefahr für sich entdeckt. Fazit: Viele unserer Eigenschaften und Verhaltensweisen sind ansteckend.

Als Vorreiter der Ansteckungsforschung dürfen die beiden US-Wissenschaftler Nicholas Christakis und James Fowler gelten. In ihrem Buch Connected, dem das Magazin der New York Times im September 2009 eine Titelgeschichte widmete, beschäftigen sie sich mit der Frage, inwieweit unsere sozialen Netzwerke unser Leben beeinflussen. Tatsache ist: Wissenschaftler haben inzwischen zahlreiche Eigenschaften identifiziert, die sich offenbar durch ganze Freundes- und Bekanntenkreise ziehen.

Erst vor wenigen Tagen berichtete das Time-Magazine über eine Studie von Christakis und Fowler, demzufolge Trinkgewohnheiten ansteckend sind. Sie analysierten Daten einer Langzeitstudie mit über 5000 Teilnehmern. Ergebnis: Wenn ein Freund, Verwandter oder Kollege starker Trinker ist, tun wir das mit 50 Prozent höherer Wahrscheinlichkeit auch. Wenn der Freund eines Freundes stark trinkt, liegt die Wahrscheinlichkeit immerhin noch 36 Prozent höher.

Ähnliches gilt auch für andere Verhaltensweisen: Im März wurde bekannt, dass sowohl der Wille zur Kooperation als auch Egoismus ansteckend sind. Im Februar resümierte eine Studie von James Fowler, dass Teenager, die schlecht schlafen und Marihuana rauchen, dieses Verhalten an ihre Freunde weitergeben. Im Dezember 2009 behaupteten sie, dass auch Einsamkeit ansteckend sei. Einsame Menschen würden nicht nur automatisch am Rand sozialer Gruppen landen, sondern auch noch ihre Freunde mit dem Gefühl der Vereinsamung infizieren, woraufhin sich diese ebenfalls sozial zurückziehen, so die Forscher.

Schon 2007 hatten sie Aufsehen erregt, als sie behaupteten, sogar Fettleibigkeit sei ansteckend. Demnach nehmen wir eher zu, wenn unsere Freunde dasselbe tun – auf der anderen Seite sind Diäten erfolgreicher, wenn andere mitmachen.

Vielleicht gilt diese Ansteckungsgefahr ja auch für Christakis und Fowler: Studien über ansteckende Eigenschaften sorgen für weitere Studien über ansteckende Eigenschaften sorgen für…und so weiter.

Natürlich sind die Ergebnisse interessant, denn sie zeigen, dass unsere Handlungen auf unsere Freunde und Bekannten abfärben. Im Grunde lassen sie aber nur einen eher binsigen Schluss zu: Wir sollten unsere Freunde und Bekannten weise auswählen.

22 Kommentare

  1. @Marius: Guter Einwand – und das klassische Henne-Ei-Problem…Christakis sagte dazu dem Spiegel: „Manchmal genügt es, dass der Freund eines Freundes meines Freundes zunimmt – ich nehme dann mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ebenfalls zu. Ich muss dafür gar nicht wissen, dass der Freund meines Freundes fett geworden ist. Irgendwie teilt sich mir mit, dass mein Freund tolerant genug ist, die Fettsucht in seinen Kreisen hinzunehmen. Damit hat sich verändert, was in meinem Netz als akzeptabel gilt. Und das verändert auch mich.“
    Quelle: http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,550237,00.html

  2. Suchen wir unsere Freunde nicht danach aus, ob sie uns ähnlich sind oder nicht? Allein dadurch bestehen schon Zusammenhänge im Freundeskreis. Daher kann man m.M.n. nicht sofort sagen, dass eine Eigenschaft durch Ansteckung „übertragen“ wird. Da müsste man wohl noch genauer differenzieren 😉

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