Der Halo-Effekt – Warum wir Fair-Trade-Produkte für gesünder halten

Essen Sie gerne Schokolade? Kaufen Sie gerne Produkte aus fairem Handel? Und wollen Sie sich gesund ernähren? Dann seien Sie gewarnt: Laut einer neuen Studie halten wir Fair-Trade-Produkte automatisch für gesünder – sogar Schokolade.

Nehmen wir mal an, Sie sehen auf der Straße eine extrem dicke Person – halten Sie diese Person für fleißig, klug und diszipliniert? Oder glauben Sie, dass sie maßlos, faul, willensschwach oder gar dumm ist? Wen halten Sie für klüger: den Schüler mit runder Nickelbrille oder den mit Kontaktlinsen? Sind Blondinen eher schlau oder dumm?

Okay, genug der rhetorischen Fragen, die Antworten scheinen mehr als einleuchtend. Und das liegt am so genannten Halo-Effekt. Entdeckt wurde das Phänomen im 19. Jahrhundert vom US-Verhaltensforscher Edward Lee Thorndike. Und so funktioniert es: Einzelne Eigenschaften einer Person wirken auf uns so dominant, dass sie einen überstrahlenden Gesamteindruck erzeugen. Daher auch der Name, denn „Halo“ steht im Englischen für „Heiligenschein“.

Verschiedene Wissenschaftler konnten den Effekt in den vergangenen Jahrzehnten nachweisen. Der legendäre Psychologe Solomon Asch las seinen Probanden in einer Studie im Jahr 1946 beispielsweise verschiedene Charaktereigenschaft einer Person vor. Wurde diese als warmherzig beschrieben, hielten die Testpersonen sie gleichzeitig auch für großzügig, gutmütig und gesellig.

Aber auch bei der Ernährung spielt der Halo-Effekt eine Rolle – allerdings mitunter eher eine unrühmliche. So halten wir das Essen der Sandwich-Kette Subway gesünder als das von McDonald’s – und stopften im Endeffekt mehr Kalorien in uns hinein. Wie sehr der Halo-Effekt unsere Ernährung beeinflussen kann, zeigt jetzt eine neue Studie von Psychologen um Jonathon Schuldt von der Universität von Michigan. Die Essenz: Schon der Anblick eines Fair-Trade-Labels kann dazu führen, dass wir uns ungesünder ernähren.

In zwei Experimenten konfrontierte Schuldt 248 Probanden mit verschiedenen Sorten Schokolade. Vorher hatte er die Verpackungen jedoch manipuliert. Die eine gaukelte den Teilnehmern vor, dass die Schokolade aus fairem Handel stamme. Das Unternehmen zahle den Kakaobauern in Afrika überdurchschnittlich hohe Löhne, kümmere sich um deren Gesundheitsversorgung, spende viel für wohltätige Zwecke und kämpfe gegen Kinderarbeit.

Die andere Verpackung verkündete das genaue Gegenteil. Die Schokofirma sei bekannt für ihre ruppigen Methoden, miesen Löhne und lege sich regelmäßig mit Menschenrechtsgruppen an, weil sie Kinderarbeit fördere. Die Konsequenz: Den Teilnehmern verging buchstäblich der Appetit.

Denn nun sollten sie einschätzen, wie viel Kalorien beide Sorten hätten. Und siehe da: Der Fair-Trade-Schokolade billigten sie am wenigsten Kalorien zu. Nach dem Motto: Wenn das Naschzeug schon unter so menschlichen Bedingungen entstanden ist, dann kann sie unmöglich schlecht sein. Ganz anders war das Resultat bei der Schokolade des miesen Unternehmens: Hier gingen die Teilnehmer von einer wesentlich höheren Kalorienzahl aus.

Mehr noch: Je wichtiger den Probanden ethisches Verhalten war, desto eher glaubten sie bei der Fair-Trade-Schokolade an eine geringere Kalorienzahl – und an eine umso höhere beim unethischen Konkurrenten. Außerdem empfahlen sie die fair gehandelte Schokolade auch wesentlich öfter weiter.

Der Halo-Effekt ist einer dieser psychologischen Effekte, die unser Verhalten immer und überall beeinflussen. Es kann schon helfen, sich deren Wirkung bewusst zu machen. Ob uns das wirklich weiterhilft, ist natürlich eine ganz andere Frage – versuchen Sie das mal jemandem zu erklären, der Lust auf Schokolade hat.

P.S.: Hier finden Sie meinen Beitrag zu zehn Fakten zur Psychologie des Essens.

Quelle:
Jonathon P. Schuldt, Dominique Muller and Norbert Schwarz (2012). The “Fair Trade“ Effect: Health Halos From Social Ethics Claims. In: Social Psychological and Personality Science.

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