Der Fall des Felix Baumgartner – Warum gehen Menschen extreme Risiken ein?

Der Fall des österreichischen Extremsportlers Felix Baumgartner wirft zwei Fragen auf: Warum tut man sich das an? Und welche Gefühle lösen solche Draufgänger bei den Zuschauern aus? Ein Evolutionspsychologe weiß Antworten.

Keine Frage, die Liste von Baumgartners Erfolgen ist beeindruckend. Er sprang schon vom 88. Stockwerk der Petronas Towers in Kuala Lumpur, von der 38 Meter hohen Christus-Statue in Rio de Janeiro, von der mit 343 Metern höchsten Brücke der Welt und von der 390 Meter hohen Beobachtungsplattform des Wolkenkratzers Taipei 101.

Außerdem überquerte er mit einem Spezialanzug im freien Fall den Ärmelkanal. Momentan bereitet er sich im amerikanischen Roswell auf sein größtes Projekt vor, einen Sprung aus dem Weltall, aus unfassbaren 36 Kilometern Höhe.

Ist Baumgartner süchtig nach Adrenalin oder Anerkennung? Warum stürzen Menschen sich aus reinem Vergnügen aus Flugzeugen oder von Brücken? Nur für den Kick, für den Augenblick?

Nicht nur, behauptet zum Beispiel der amerikanische Psychologe G. William Farthing von der Universität von Maine. Er hat sich in den vergangenen Jahren mit der Psychologie der Risikobereitschaft auseinandergesetzt, und zwar unter evolutionären Aspekten.

Laut Farthing steckt hinter Fallschirmspringen, Bergsteigen oder anderen körperlich riskanten Aktivitäten ein Signal der Männer an die Frauen. Damit wollten sie ihre Athletik, Fitness und Courage unter Beweis stellen – Eigenschaften also, die seit Menschengedenken durchaus Vorteile bei der Fortpflanzung bieten. Denn ein Mann mit diesen Fähigkeiten verfügt vermeintlich über gute Gene, um gesunde Kinder zu zeugen und für die Familie zu sorgen.

Nun haben die meisten Männer heute glücklicherweise weniger Gelegenheiten, diese Fähigkeiten zu beweisen – außer eben bei Extremsportarten. Bloß: Kommt jedes Risiko bei Frauen gleich gut an?

Um diese Frage zu beantworten, testete Farthing in zwei Experimenten, wie Frauen auf risikobereite Männer reagierten. Dafür konfrontierte er mehr als 100 Frauen unter 30 mit verschiedenen riskanten Handlungen. Mal beinhaltete die Tat eine große Portion Selbstlosigkeit. Darunter: eine Person zu retten, die auf einem See ins Eis eingebrochen war, oder ein Baby aus einem brennenden Haus zu holen. In anderen Fällen ging es um riskante Aktivitäten aus reinem Vergnügen, wie etwa Schwimmen in einem kalten und tiefen See, Rasen auf der Autobahn oder Skifahren auf einer gesperrten Piste.

Nun sollten die Frauen einen Mann bewerten, der diesen Aktivitäten nachgeht. Und zwar: wie attraktiv sie ihn fanden und ob er als Partner in Frage kam.

Ergebnis: Die Frauen bevorzugten durchaus risikobereite Männer – aber nur dann, wenn die Aktivität etwas mit Selbstlosigkeit zu tun hatte und nicht allzu riskant war. „Wer ein niedriges bis moderates körperliches Risiko auf sich nimmt, signalisiert erwünschte Eigenschaften wie Mut und Fitness“, schrieb Farthing. „Aber Draufgänger, die extreme Risiken auf sich nehmen, ohne jemand anderem zu helfen, werden nicht bevorzugt – denn ihre positiven Eigenschaften werden von der Gefahr einer Verletzung oder des Todes überschattet.“

Mit anderen Worten: Männer wie Baumgartner mögen mutig sein und faszinierend – als bessere Partner gelten sie allerdings nicht. Aber das ist Baumgartner offenbar ohnehin ziemlich schnuppe: „Es ist nicht Serotonin und der ganze pseudopsychologische Mist, warum ich das mache“, sagte er einmal. „Es ist immer eine Idee, die mich nicht loslässt. Ein Ziel und der Weg dorthin.“

Quelle:
G. William Farthing. Neither daredevils nor wimps: Attitudes toward physical risk takers as mates Evolutionary Psychology, Band 5, Nummer 4, Seite 754-777

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