Sind Sie auch so oft vergesslich? Machen Sie sich deswegen schon Sorgen um Ihr Gedächtnis? Dann hat ein US-Forscher beruhigende Nachrichten: Schuld am temporären Erinnerungsverlust ist manchmal schon der Gang durch eine Tür.
Ich wette, Sie kennen diese Situation: Sie gehen durch Ihre Wohnung oder Ihr Haus und wissen eigentlich genau, was Sie als nächstes tun wollen. Doch Sekunden später haben Sie es vergessen und stehen ratlos da. Ständig verlieren sie Gegenstände in den eigenen vier Wänden oder geraten morgens in Hektik, weil sie Ihren Hausschlüssel mal wieder nicht sofort finden. Kommt Ihnen das bekannt vor?
Unser Gehirn verfügt über etwa 100 Milliarden Nervenzellen, von denen jede mit einer anderen verbunden sein kann – über eine von 15000 Synapsen. Eine gute Sache. Doch trotz dieser umfangreichen Maschinerie vergessen wir häufig Dinge. Aber warum?
Wer Gabriel Radvansky nach einer Antwort fragt, wird vermutlich zuerst mal ziemlich erstaunt sein. Denn der Psychologieprofessor der amerikanischen Universität von Notre Dame ist davon überzeugt, dass gelegentliche Erinnerungslücken keinesfalls ein Ausdruck von Dummheit oder gar ein erstes Anzeichen für Gedächtnisschwund sind. Vielmehr sei der Grund für unsere Vergesslichkeit manchmal ziemlich banal – nämlich der Gang durch eine Tür.
Ich weiß, das klingt völlig grotesk. Aber Radvanskys Erklärung klingt plausibel. „Wenn man von Raum zu Raum geht, identifiziert das Gehirn jedes Zimmer als neues Ereignis“, sagt Radvansky, „und dieses Ereignis wird im Gehirn anders abgespeichert.“ Vereinfacht ausgedrückt: Wer seinen Hausschlüssel in den Flur legt und nun ins Wohnzimmer geht, hat den Ablageort des Schlüssels mit höherer Wahrscheinlichkeit wieder vergessen – denn er befindet sich ja in einem anderen Raum. Das macht es auch so schwierig, den Schlüssel wiederzufinden – denn wir haben den Ablageort durch Verlassen des Flurs gewissermaßen zu den geistigen Akten gelegt.
Schon vor fünf Jahren zeigte Radvansky in einer Studie: Die Probanden einer Computersimulation konnten sich Gegenstände schlechter merken, nachdem sie in der virtuellen Umgebung neue Räume betreten hatten. Zum selben Ergebnis kam Radvansky jetzt in einer neuen Untersuchung (.pdf). Wieder setzte er die Probanden an einen Computer, wieder bewegten diese sich in einer virtuellen Umgebung – wieder hinterließ der Gang durch eine Tür Erinnerungslücken.
Doch diesmal legte Radvansky auch Wert darauf, eine reale Situation nachzustellen, fernab vom Computer. In einem Versuch sollten 60 Freiwillige sechs bunte Holzblöcke in eine Kiste packen und von einem Tisch zum anderen bringen. Mal stand dieser Tisch im selben Raum, mal mussten sie dafür in einen anderen Raum gehen. Nachdem sie das erledigt hatten, lenkte der Wissenschaftler die Probanden zwei Minuten lang mit kleinen Rechenaufgaben ab. Und nun testete er, wie es um das Gedächtnis der Teilnehmer bestellt war – mit einer ziemlich simplen Aufgabe.
Auf einem Monitor sahen die Probanden verschiedene Gegenstände. Sie sollten einfach sagen, ob der jeweilige Gegenstand gerade bei ihnen in der Kiste gelegen hatte. Und siehe da: Jedes Mal, wenn sie im Experiment zuvor einen neuen Raum betreten hatten, schnitten sie schlechter ab. Sie machten mehr Fehler und konnten sich an wesentlich weniger Gegenstände erinnern.
„Unser Gehirn verschlechtert sich, wenn wir unseren Aufenthaltsort ändern“, sagt Radvansky. Denn unser Gedächtnis hat mit dem alten Raum gewissermaßen abgeschlossen, sobald wir die Türschwelle übertreten. Nun fokussiert es sich auf die neue Umgebung – und unter dieser geistigen Anstrengung leidet unser Erinnerungsvermögen.
Wie man das vermeiden kann? Einer amerikanischen Redakteurin empfahl Radvansky physische Hilfsmittel. Wer beispielsweise im Wohnzimmer sitze und plötzlich Lust auf einen kleinen Imbiss bekomme, solle einen Teller oder eine Schüssel mit in die Küche nehmen. Oder: Wer auf der Suche nach einer Schere sei und von Raum zu Raum gehe, solle aus Zeige- und Mittelfinger eine Schere formen. Solche gedanklichen Stützen machten es dem Gehirn leichter, sich zu konzentrieren. Sonst gilt schnell: Aus der Tür, aus dem Sinn.
Quelle:
Gabriel A. Radvansky, Sabine A. Krawietz und Andrea K. Tamplin (2011): Walking through doorways causes forgetting: Further explorations. The Quarterly Journal of Experimental Psychology, 1632-1645.
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Schön! Das dürfte dann auch erklären können, wieso einem der Koffer im Zug erst auf dem Bahnsteig einfällt. Kurz nachdem der Zug sich wieder bewegt.
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