Warum viele Optionen die Entscheidung erschweren – oder auch nicht

Bislang dachten Entscheidungsforscher: Eine Vielzahl von Möglichkeiten überfordert uns. Damit räumt eine neue Studie jetzt auf. Demnach hängt das davon ab, ob wir die Entscheidung für uns selbst treffen – oder für andere.

Viele Menschen treffen Entscheidungen, die sich auf das Leben ihrer Mitmenschen auswirken. Politiker etwa, Unternehmensberater, Ärzte oder Piloten. Bei allen ist es uns lieber, wenn diese Experten vor der Entscheidung so viele Informationen wie möglich sammeln, Alternativen abwägen und Optionen vergleichen – um dadurch die weiseste Wahl zu treffen. Motto: Je mehr Infos, desto besser die Entscheidung. Theoretisch zumindest.

Praktisch jedoch wissen Entscheidungsforscher: Eine Vielzahl von Optionen verwirrt uns tendenziell. Dieses Phänomen nannte die US-Psychologin Sheena Iyengar „choice overload effect“. Vereinfacht gesagt: Häufig fühlen wir uns von einer großen Auswahl eher erschlagen und zögern die Entscheidung hinaus – und unbedingt glücklicher macht uns die Entscheidung auch nicht.

Doch jetzt zeigt eine neue Studie: Ob wir uns vorher gerne mit vielen oder wenigen Optionen herumschlagen wollen, hängt davon ab, ob wir die Entscheidungen für uns selbst treffen – oder für jemand anderen. „Wer für sich selbst entscheiden muss, bevorzugt wenige Optionen“, sagt Evan Polman von der Stern School of Business, „doch wer für andere entscheidet, dem sind viele Optionen lieber.“

Klasse statt Masse

Zu diesem Fazit gelangte der Wissenschaftler in einer neuen Studie, für die er insgesamt sechs Experiment konzipierte. Bei einem davon sollten 125 Studenten die Wandfarbe eines Schlafzimmers auswählen. Mal ging es um ihr eigenes Zimmer, mal um ein fremdes. Der einen Hälfte gab Polman acht verschiedene Farben zur Auswahl, der anderen 35.

Nach der Entscheidung sollten sie ihm sagen, wie zufrieden sie mit ihrer Wahl waren. Kurios: Ging es um das eigene Schlafzimmer, waren jene Probanden zufriedener, die nur acht Wahlmöglichkeiten hatten. Ging es jedoch um ein fremdes Schlafzimmer, waren die Teilnehmer mit 35 Optionen glücklicher.

Ähnlich war es das Resultat, als Polman das Labor verließ und 60 Kunden zweier Weingeschäfte ansprach, das eine etwa zehn Mal so groß wie das andere. Erneut waren Kunden des kleinen Geschäfts mit ihrem Kauf glücklicher, wenn der Wein für eigene Zwecke war. Hatten sie den Wein für jemand anders gekauft, zeigten sie sich nach dem Einkauf im großen Geschäft zufriedener. Offenbar verkehrt sich der „choice overload effect“ ins genaue Gegenteil, wenn wir für andere Menschen entscheiden.

Der Psychologe E. Tory Higgins von der Columbia Universität postulierte in den Neunzigerjahren in einer Studie die Theorie des regulatorischen Fokus (regulatory focus theory). Demnach sind wir bei der Suche nach einer Entscheidung durchaus zerrissen. Zum einen wollen wir Verluste vermeiden und uns sicher fühlen. Mit anderen Worten: Diese Denkweise ist eher auf Besitzstandswahrung aus und darauf, Verluste zu vermeiden (prevention focus). Zum anderen jedoch wollen wir uns Wünsche erfüllen, uns weiterentwickeln und verbessern – eine eher auf Gewinne auslegte Strategie (promotion focus).

Und Letztere ist dominant, wenn wir eine Wahl für jemand anderen treffen. Wir wollen tunlichst vermeiden, bei unserer Entscheidung irgendetwas zu übersehen – und bevorzugen eine Vielzahl von Optionen. Motto: Bei einer so großen Auswahl wird schon das Richtige dabei sein.

Betrifft die Entscheidung hingegen unser eigenes Leben, wollen wir eher Verluste vermeiden und bloß keine falsche Wahl treffen. Dadurch verkehrt sich das Motto ins Gegenteil: Bei einer so großen Auswahl, denken wir, ist bestimmt auch das Falsche dabei – und daher bevorzugen wir in diesem Fall weniger Optionen.

Quelle:
Evan Polman (2012). Effects of Self–Other Decision Making on Regulatory Focus and Choice Overload. In: Journal of Personality and Social Psychology.

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