Verbale Vulgarität – Die Wirkung negativer Online-Kommentare

Egal ob auf Online-Nachrichtenseiten oder in Foren – in Kommentarspalten im Internet wird häufig unsachlich beleidigt und beschimpft. Aber wie wirken sich solche Wortmeldungen auf die Leser aus? Eine neue Studie resümiert: Sie tragen wesentlich zur Polarisierung bei.

Egal ob auf Nachrichten-Websites, in Foren und Blogs, bei Facebook, Twitter oder Youtube – das Internet erlaubt es nicht nur, Informationen zu teilen. Viele Plattformen gestatten es den Lesern und Nutzern auch, die Inhalte zu kommentieren.

Was an sich gut gemeint ist, wirkt sich im Alltag häufig negativ auf. Oft genug wirken die Kommentarspalten wie ein Sammelplatz der Frustrierten und Gelangweilten, die sich nicht mit dem Inhalt auseinandersetzen, sondern nur motzen, pöbeln, schimpfen und verleumden wollen.

Aber wie wirken solche negativen, unsachlichen Kommentare auf die Leser? Vor allem: auf solche, die sich bislang noch keine Meinung gebildet haben? Oder solche, die an einer sachlichen Diskussion interessiert sind?

Diesen Fragen widmeten sich kürzlich Dominique Brossard und Dietram Scheufele, Kommunikationswissenschaftler an der Universität von Wisconsin in Madison. In einer Studie konfrontierten sie knapp 1200 Personen mit einem fiktiven Blogartikel. Darin ging es um die Vor- und Nachteile der Nanotechnologie. Wohlgemerkt: Der Text war bewusst neutral gehalten und behandelte sowohl deren Chancen als auch deren Risiken.

Keiner der Probanden kannte sich mit der Technologie aus, alle lasen denselben Artikel. Doch die Kommentare der Leser unter dem Text hatten Brossard und Scheufele manipuliert. Die eine Hälfte der Freiwilligen las Wortbeiträge, die bewusst neutral und sachlich formuliert waren. Die andere Hälfte jedoch sah Kommentare, die vulgär, unsachlich und beleidigend waren. Mal wurden die Gegner der Technologie als „Idioten“ beschimpft, mal deren Befürworter als „Dummköpfe“.

Danach fragten die Wissenschaftler die Teilnehmer, wie sie nun über die Nanotechnologie dachten. Und siehe da: Die rüden Kommentare hatten erheblichen Einfluss – und zwar negativen: Sie trugen erheblich zur Polarisierung bei. Jene Probanden sahen nun überwiegend die Nachteile. Die andere Gruppe – jene also, die neutrale Kommentare gelesen hatte -, änderte ihre Meinung hingegen nicht.

„Kommentare können die Meinung der Leser erheblich beeinflussen“, schrieben die beiden Wissenschaftler kürzlich in einem Gastbeitrag in der New York Times. „Aber nicht ihr Inhalt – sondern vor allem ihr Umgangston.“

Dazu passt auch „Godwins Gesetz“. Der Amerikaner Mike Godwin behauptete schon im Jahr 1990, dass Online-Diskussionen nur lange genug laufen müssen, bis irgendwann jemand unvermeidlich einen Nazivergleich oder einen Vergleich mit Hitler einbringen wird. Das meinte Godwin damals zwar satirisch. Aber die Studie von Brossard und Scheufele zeigt: Es entbehrt bis heute nicht einer gewissen Grundlage.

Quelle:
Dominique Brossard et al (2013). Crude Comments and Concern: Online Incivility’s Effect on Risk Perceptions of Emerging Technologies. Journal of Computer-Mediated Communication

5 Kommentare

  1. Will sich das bewertete Unternehmen gegen eine (teilweise) Loschung von erhaltenen positiven Bewertungen juristisch wehren, gelten spiegelbildlich die hier dargestellten BGH-Grundsatze zum Anspruch auf Loschung negativer Bewertungen. Die Prufungsabfolge beschreibt dieses Urteil des Landgerichts Munchen anschaulich.

  2. Danke für den Hinweis auf die Studie. Interessant finde ich, dass der Effekt unabhängig davon zu sein scheint, ob die Kommentatoren sich für oder gegen die Technologie aussprechen und sich darin einig sind. Eventuell gefundene Effekt bei den im Paper kontrollierten und nicht mit berichteten Manipulationen (s. Hinweis am Ende) würden mich interessieren.

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