Egal ob in Bus oder Bahn, in Büros oder Wartezimmern – viele Menschen sind genervt, wenn sie Telefonate mithören. Aber warum? Eine neue Studie hat da ein paar Vermutungen.
Heimat: Köln, Sternzeichen: Stier. In meiner Seele scheint meistens die Sonne, und so schnell bringt mich niemand aus der Ruhe. Aber es gibt da etwas, das ich partout nicht leiden kann: Telefonate in der Öffentlichkeit. Und ich glaube, da bin ich nicht allein.
Sobald jemand in unserer Anwesenheit telefoniert, hören wir fast automatisch hin. Je nach Inhalt, Länge und Lautstärke des Gesprächs kann das ziemlich nervig sein – vor allem dann, wenn die andere Person persönliche und intime Details diskutiert.
Aber wieso lassen wir uns von den Telefonaten so ablenken? Wieso können wir nicht weghören? Und wieso zehrt das an unseren Nerven? Diesen Fragen widmete sich jetzt Veronica Galván von der Universität von San Diego.
In ihrer Studie sollten 149 Studenten mit einem Durchschnittsalter von 18 Jahren verschiedene Anagramme lösen. 15 einfache (aus „hosue“ sollte das englische Wort „house“ werden), und 15 schwierige (aus „suohe“ mach „house“). Doch mittendrin wurden sie abgelenkt.
Jedes Mal stand der Versuchsleiter plötzlich auf und gaukelte den Teilnehmern vor, dass er noch mehr Papier holen müsse. Im Raum hatte Galvan Komplizen vorher jedoch Komplizen platziert, die ebenfalls an dem Test teilnahmen. Doch genau sie wurden aktiv, sobald der Versuchsleiter den Raum verlassen hatte.
Bei Gruppe A fing einer von ihnen nun an zu telefonieren, bei Gruppe B unterhielten sich zwei der Komplizen untereinander. Nicht zu laut, nicht zu leise. Aber genau so, dass die anderen im Raum es hören könnten. Währenddessen sollte alle weiter Anagramme lösen.
Hinterher stellte Galvan den Probanden verschiedenen Fragen. Und dabei fand sie heraus, dass das Telefonat zwar keine Auswirkung auf die Leistung im Test hatte. Doch die Telefonate wurden als wesentlich nerviger, störender und ablenkender empfunden als die Dialoge.
Mehr noch: Offenbar konzentrierten sich die Probanden stärker auf die Telefonate. Denn als Galvan alle Teilnehmer nach dem Inhalt der jeweiligen Konversationen fragte, stellte sie fest: Die Handygespräche hatten die Probanden wesentlich besser memoriert. Offenbar konnten sie einfach nicht weghören – und fühlten sich gestört.
Aber warum?
Zum einen führen die Menschen am Handy tendenziell häufiger private Konversationen – akustische Zeugen fühlen sich umso stärker ausgeschlossen, da sie dabei selten mitreden können. Das steigert Frust und Unmut.
Zum anderen finden diese Gespräche häufig in einer Umgebung statt, aus der wir in diesem Moment nicht flüchten können – im Zug, in der Straßenbahn, im Aufzug. Und immer wenn wir etwas nicht unter Kontrolle haben, steigt unser Stresspegel. Auch bei Stieren aus Köln.
Quelle:
Veronica Galván, Rosa Vessal und Matthew Golley. The Effects of Cell Phone Conversations on the Attention and Memory of Bystanders. PLoS One, 8(3): e58579
Dass Handy-Telefonate nerven, weil man als Außenstehender nicht hören kann, was der Gesprächspartner sagt, halte ich für falsch. Denn noch nerviger sind solche Telefonate, wenn der jeweilige Gesprächspartner auf laut gestellt ist. Solche aufdringlichen Zeitgenossen gibt es ja auch. Der Erklärungsansatz ist also m.E. ungeeignet.
Michael, die These möchte ich mit eigenen Erfahrungen bestätigen (N=2, wir arbeiten dran), ich zumindest ärgere mich jedes Mal wenn mir so etwas widerfährt und ich nichts dazu gesagt habe.
Ich möchte auch noch eine nicht validierte Theorie einbringen: Könnte es sein, dass uns Telefonate mehr beschäftigen, weil wir nur die Häfte der Konversation mitbekommen und uns ungewollt kognitiv damit befassen, diese zu vervollständigen um den Kontext herzustellen? (Unsicherheitsbewältigung oder sowas in der Richtung)
Meine ganz eigene (nicht validierte) Theorie ist eine andere: Ich glaube, der Grund, warum einen diese Art von Störungen wirklich am meisten nerven ist der, dass wir uns über uns selbst ärgern, weil wir nichts dagegen unternehmen.
Denn ich denke, man KANN aus diesen Situationen flüchten bzw. sie so umgestalten, dass das Telefonieren aufhört. Hier zwei Ideen (und ich bin gespannt, welche noch hier erscheinen werden):
1. (passiv) Nach dem Gespräch (wenn man es denn mitbekommt) auf die Person zugehen und die aus dem Telefonat erfahrenen Details nutzen. Ganz im Sinne von „Hallo Andrea! Wie geht es dir? Was macht denn die Uni und deine Prüfung? Hattest du nicht neulich Quantitative Methoden Teil 1? Und hast du deinen Ausschlag eigentlich wegbekommen? – Jetzt sag‘ bloß, du erkennst mich nicht?“
Löst man das am Ende auf, dann behaupte ich, ein Lerneffekt ist beim Telefonierer sehr wahrscheinlich…
2. (aktiv) Sich mit dem eigenen Handy direkt neben die Person stellen und einfach ein Gespräch simulieren, dass zu den Inhalten des Telefonierers passt. Meist ist das für beide Telefonierenden nervig genug, so dass dann eine Steilvorlage kommt wie „Könntest du bitte mal leiser telefonieren? Ich verstehe mein eigenes Wort nicht mehr!“.
Und auf die kann man dann hervorragend reagieren.