Je länger wir warten müssen, desto ungeduldiger werden wir – könnte man meinen. Doch laut einer neuen Studie gilt mitunter das Gegenteil: Warten kann die Geduld erhöhen.
Immer dann, wenn wir zwischen einer unmittelbaren Belohnung und einer späteren wählen können, ist unsere Geduld gefragt – die Fähigkeit, auf die sprichwörtlich größere Möhre zu warten als sofort die kleinere vor der Nase zu verputzen.
Das fällt uns häufig schwer, denn es erfordert Disziplin und kostet mentale Energie. Und je länger wir warten, desto größer unsere Ungeduld. Sollte man meinen. Doch offenbar kann Warten mitunter unsere Geduld steigern.
So lautet zumindest das Fazit einer neuen Studie von Dai Xianchi (Chinesische Universität Hongkong) und Ayelet Fishbach (Universität von Chicago). In einem Experiment konnten 84 Studenten an einer Lotterie teilnehmen. Allerdings mussten sie sich entscheiden, welchen Gewinn sie ergattern wollten.
Gruppe A lockte eine Sofort-Belohnung: Sie konnte in 3 Tagen 50 Dollar gewinnen oder in 23 Tagen 55 Dollar. Wenig überraschend: 86 Prozent der Gruppenmitglieder wählten den schnellen Gewinn.
Gruppe B musste länger warten: In 30 Tagen 50 Dollar oder in 50 Tagen 55 Dollar. Sie war schon etwas geduldiger: Hier wählten nur 55 Prozent die schnellere Belohnung.
Gruppe C sollte ebenfalls zwischen 50 Dollar in 30 Tagen oder 55 Dollar in 50 Tagen wählen. Allerdings mussten sie sich erst in 27 Tagen entscheiden. Mit anderen Worten: Durch diese Unterbrechung blieben ihnen dieselben Alternativen wie Gruppe A – in 3 Tagen 50 Dollar oder in 23 Tagen 55.
Nach Ablauf der Frist kontaktierten die Wissenschaftler die Mitglieder von Gruppe C erneut und fragten, was ihnen nun lieber wäre. Und siehe da: Die Wartefrist wirkte sich erheblich auf die Entscheidung aus: Nur 31 Prozent entschieden sich für die schnellere Belohnung. Aber 69 Prozent wollten warten.
Ein ähnliches Ergebnis beobachteten die Forscher in einem weiteren Experiment. Dort konnten 144 Studenten einen iPod-Shuffle gewinnen. Allerdings mussten sie sich entscheiden, ob sie lieber ein reguläres Modell mit einem Wert von 69,99 Dollar oder die bessere Version im Wert von 74,99 Dollar haben wollten.
Erneut hatten jene Teilnehmer, bei denen zwischen der Ankündigung und der Entscheidung einige Tage lagen, am meisten Geduld. Obwohl sie vor derselben Wahl standen, wollten 60 Prozent die größere Belohnung haben. Bei denen, die sofort entscheiden mussten, waren es nur etwa 25 Prozent.
Offenbar verringert Warten nicht zwangsläufig die Geduld, resümieren Xianchi und Fishbach: „Die Wartezeit erhöht den Wert des Gegenstandes. Und das beeinflusst die Geduld.“
Oder anders formuliert: Wenn wir schon mal die Geduld aufgebracht haben, erscheint die größere Möhre umso verlockender. Und dann sind wir dazu bereit, auf die kleinere vor der Nase zu verzichten.
Quelle:
Dai Xianchi und Ayelet Fishbach. When Waiting to Choose Increases Patience. Organizational Behavior and Human Decision Processes
well.. duh! Alles was man übt wird kultiviert..