Von Sinnen – Das Phänomen der Wahlblindheit

Etwa 20.000 Entscheidungen treffen wir jeden Tag, dabei sollen unsere fünf Sinne uns helfen – theoretisch zumindest. Denn in Wahrheit verwirren sie uns eher. Der Name dieses Phänomens: Wahlblindheit.

Lars Hall von der schwedischen Lund Universität machte für seine aktuelle Studie (.pdf) einen kleinen Ausflug. Gemeinsam mit einigen Kollegen stellte er sich in einen Supermarkt und sprach dort Kunden an. Insgesamt 180 Personen waren bereit, an einem kleinen Experiment teilzunehmen.

Und das ging so: Die Wissenschaftler konfrontierten die Freiwilligen mit zwei Produkten – Marmelade und Tee. Aus verschiedenen Sorten sollten sie diejenigen auswählen, die ihnen am besten schmeckten. Beispielsweise konnten sie sich bei der Marmelade zwischen Zitrone, Apfel-Zimt und Grapefruit entscheiden, beim Tee zwischen Apfel und Honig.

Sofort nach der Entscheidung baten die Forscher die Teilnehmer darum, die verschiedenen Sorten noch einmal zu testen und zu erklären, warum sie diese und jene lieber mochten. Der Clou: Zuvor hatten sie die Deckel der Marmeladen und Tees heimlich vertauscht. Mit anderen Worten: Beim zweiten Mal befanden sich die Probanden in der Illusion, ihre Lieblingsmarmelade und ihren Lieblingstee zu kosten.

Das Verblüffende ist: Zwei Drittel der Teilnehmer bemerkten den heimlichen Tausch gar nicht. Sie waren so überzeugt von ihrer Wahl, dass ihnen der Unterschied zwischen Grapefruit- und Apfel-Zimt-Marmelade nicht auffiel. Beim Tee verhielt es sich ähnlich. Die Kunden hatten sich so sehr auf ihre Entscheidung konzentriert („Ich mag den Geruch des Honig-Tees“), dass ihr Geruchssinn gewissermaßen abschaltete.

Psychologen nennen dieses Phänomen Wahlblindheit („choice blindness“). Lars Hall hat es gemeinsam mit seinem Kollegen Petter Johansson schon im Jahr 2005 entdeckt. In einer Studie (.pdf) zeigte er damals 50 Männern und 70 Frauen zwei weibliche Porträtfotos. Danach sollten sie auswählen, welches Gesicht sie attraktiver fanden. Während die Teilnehmer ihre Entscheidung begründeten, vertauschten die Wissenschaftler heimlich die Fotos. Auch in diesem Experiment bemerkten 70 Prozent der Versuchspersonen den Tausch überhaupt nicht und verteidigten ihre „falsche“ Wahl.

Man lerne: Egal ob es sich um unseren Geruchssinn, unsere Geschmacksnerven oder unsere Sehkraft handelt – unsere Sinne haben immer eine Präferenz. Aber das heißt noch lange nicht, dass unser Gehirn diese auch erinnert.

[via Wired]

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