Verdrehte Welt – Warum wir uns Fehler schönreden

Niemand macht gerne Fehler – noch schlimmer ist es, dabei ertappt zu werden. Doch anstatt mit Irrtümern souverän umzugehen, verdrehen wir die Tatsachen, so dass sie wieder ins Bild passen. Der Name dieses Phänomens: Kognitive Dissonanz.

Anfang der Fünfzigerjahre beschäftigte sich der US-Sozialpsychologe Leon Festinger mit einer skurilen amerikanischen Sekte. Deren Anführerin war eine Hausfrau namens Dorothy Martin. Sie behauptete nicht nur, Nachrichten von Außerirdischen zu empfangen. Eine gewisse Sananda vom Planeten Clarion habe ihr außerdem exklusiv verraten, dass eine gewaltige Flut schon bald alle Erdenbewohner töten würde – natürlich mit Ausnahme von Martins Sektenanhänger. Die nämlich würden der Apokalypse auf fliegenden Untertassen entkommen. So weit, so seltsam.

Noch kurioser war allerdings die Tatsache, dass sie tatsächlich einige Anhänger um sich scharte. Gemeinsam beteten und meditierten alle zusammen und warteten auf den Weltuntergang. Und warteten. Und warteten – vergeblich. Die Welt ging einfach nicht unter.

Ob die Mitglieder nun an ihrem Guru zweifelten und Dorothy Martin für verrückt erklären? Von wegen. Als der jüngste Tag ausblieb, schwenkten die Sektenmitglieder kurzerhand um. Sie behaupteten, erst durch die gemeinsamen Gebete sei der Weltuntergang verhindert worden.

Leon Festinger, der sich zum Schein als Sektenmitglied ausgegeben hatte, nannte dieses Phänomen kognitive Dissonanz: Demnach gab es ein Missverhältnis zwischen den Erwartungen der Sekte und den tatsächlichen Ereignissen – und solch ein Missstand ist für uns Menschen nicht zu ertragen. Da die Sektierer von ihrer eigenen Meinung nicht abrücken wollten, versuchten sie nun, auch andere Menschen von der Kraft ihrer Gebete zu überzeugen. Oder, wie es bei Pippi Langstrumpf hieß: „Ich mach‘ mir die Welt, widde widde wie sie mir gefällt.“

Auch wenn Festinger den Namen kognitive Dissonanz als Erster prägte – die Ursprünge gehen zurück auf eine Fabel des griechischen Dichters Äsop:

Der Fuchs und die Trauben

Eine Maus und ein Spatz saßen an einem Herbstabend unter einem Weinstock und plauderten miteinander. Auf einmal zirpte der Spatz seiner Freundin zu: „Versteck dich, der Fuchs kommt“, und flog rasch hinauf ins Laub.

Der Fuchs schlich sich an den Weinstock heran, seine Blicke hingen sehnsüchtig an den dicken, blauen, überreifen Trauben. Vorsichtig spähte er nach allen Seiten. Dann stützte er sich mit seinen Vorderpfoten gegen den Stamm, reckte kräftig seinen Körper empor und wollte mit dem Mund ein paar Trauben erwischen. Aber sie hingen zu hoch.

Etwas verärgert versuchte er sein Glück noch einmal. Diesmal tat er einen gewaltigen Satz, doch er schnappte wieder nur ins Leere.

Ein drittes Mal bemühte er sich und sprang aus Leibeskräften. Voller Gier huschte er nach den üppigen Trauben und streckte sich so lange dabei, bis er auf den Rücken kollerte. Nicht ein Blatt hatte sich bewegt.

Der Spatz, der schweigend zugesehen hatte, konnte sich nicht länger beherrschen und zwitscherte belustigt: „Herr Fuchs, Ihr wollt zu hoch hinaus!“

Die Maus äugte aus ihrem Versteck und piepste vorwitzig: „Gib dir keine Mühe, die Trauben bekommst du nie.“ Und wie ein Pfeil schoß sie in ihr Loch zurück.

Der Fuchs biß die Zähne zusammen, rümpfte die Nase und meinte hochmütig: „Sie sind mir noch nicht reif genug, ich mag keine sauren Trauben.“ Mit erhobenem Haupt stolzierte er in den Wald zurück.

[via Projekt Gutenberg]

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