Lange unterschätzt – Die Erfolgsgeschichte von Tom Brady

Im diesjährigen Super Bowl, dem Endspiel der US-Footballliga NFL, treffen die New York Giants auf die New England Patriots um ihren Star-Quarterback Tom Brady. Aus dessen Erfolgsgeschichte lässt sich einiges lernen – auch für Nicht-Sportler.

Vor Beginn jeder Saison verpflichten US-Sportteams die talentiertesten Nachwuchsspieler in einer Art Casting, auch „Draft“ genannt. Man muss sich das vorstellen wie auf einem Markt: Vertreter aller Teams kommen zusammen und wählen abwechselnd die hoffnungsvollsten Talente. Vorher haben sie bereits Hunderte von ihnen beobachtet und deren Leistungsdaten systematisch ausgewertet. Wie groß und schwer die Spieler sind, wie schnell sie sprinten, wie weit sie springen, wie viele Gewichte sie stemmen können.

Ganze Heerscharen von Analysten versuchen sich damit an der Quadratur des Kreises: Sie wollen prognostizieren, wie erfolgreich ein Spieler als Profi sein wird. Das Prozedere gleicht dem Blick in die Glaskugel, doch mithilfe aller Daten und Fakten wollen die Teams die Fehlerwahrscheinlichkeit minimieren.

Die Draft im Jahr 2000 beweist im Nachhinein zwei Dinge: Zum einen kann selbst das ausgefeilteste System nicht jedes Talent erkennen – und zum anderen kommt es für Erfolg nicht nur auf nackte Zahlen an. Sondern vor allem darauf, wie viel Herz und Selbstbewusstsein man mitbringt.

Im Laufe der Verlosung pickten sich verschiedene Teams für die Position des Quarterbacks, also des Spielmachers, zunächst sechs College-Abgänger heraus. Deren Namen: Chad Pennington, Giovanni Carmazzi, Chris Redman, Tee Martin, Marc Bulger und Spergon Wynn. Die werden Ihnen vermutlich nichts sagen, und das liegt sicher auch daran, dass von diesen sechs niemand mehr Profi-Sportler ist. Als siebter Quarterback wurde damals, in der sechsten Runde, an 199. Stelle, ein gewisser Tom Brady gewählt – und der gilt heute als einer der besten Quarterbacks aller Zeiten.

„Er sah aus, als hätte er noch nie ein Fitnessstudio von innen gesehen“, erinnert sich ein ehemaliger Trainer. Brady sei einer der langsamsten Quarterbacks gewesen, sein Wurfarm sei nicht besonders herausragend gewesen – und, wenn man ehrlich sei, habe sich Brady damals nicht viel besser angestellt als ein Schüler. Ein anderer Experte bestätigt, dass es in 40 Jahren NFL-Geschichte keinen langsameren Quarterback gegeben habe.

Und so war es eher Zufall, dass ihn die New England Patriots kurz vor Ende der Veranstaltung noch unter Vertrag nahmen – zunächst als dritten Ersatz-Quarterback. Doch Bradys Selbstbewusstsein schien darunter nicht zu leiden. Offenbar ahnte er, dass seine Zeit noch kommen würde. „Da kam plötzlich diese Bohnenstange auf mich zu“, erinnert sich der Milliardär Robert Kraft, Besitzer der New England Patriots, „und stellte sich bei mir vor. Ich sagte zu ihm: ‚Ich kenne Dich, wir haben dich doch in der sechsten Runde gedraftet.‘ Was dann passierte, werde ich nie vergessen. Tom schaute mir lange und tief in die Augen, dann sagte er: ‚Das stimmt. Und ich bin die beste Entscheidung, die Ihr Verein jemals getroffen hat.'“ Er sollte Recht behalten.

Ein Jahr später verletzte sich der Stamm-Quarterback, Brady sprang ein – und gab seinen Stammplatz nie wieder her. Seitdem hat er mit den New England Patriots drei Super Bowls gewonnen, heute Nacht hat er die Chance auf Sieg Nummer vier. Schon jetzt gilt er als einer der besten Quarterbacks aller Zeiten – der bestbezahlte ist er bereits. Im September 2010 verlängerte er seinen Vertrag bei den Patriots um weitere vier Jahre – insgesamt kann er in dieser Zeit 72 Millionen US-Dollar verdienen. Beruflich läuft es bei ihm ziemlich rund. Auch privat könnte es schlechter laufen: Brady ist seit knapp drei Jahren mit dem brasilianischen Supermodel Gisele Bündchen verheiratet.

Der US-Sportsender ESPN hat die Geschichte von Brady und den sechs vor ihm gedrafteten Quarterbacks vor kurzem verfilmt. Hier der erste Teil der wirklich sehenswerten Dokumentation „The Brady Six“ (die restlichen Folgen sehen Sie hier), die vor allem eines zeigt: Es kommt nicht darauf an, was andere einem zutrauen – sondern was man daraus macht.

Nachtrag vom 6.2.2012: Schöner Mist. Ich habe gestern Tom Brady die Daumen gedrückt – leider vergeblich. Das Super-Bowl-Finale ging knapp verloren.

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