Klatsch und Tratsch – Warum lästern wir so gerne?

Viele Menschen lästern gerne über andere. Aber warum eigentlich? Eine neue Studie liefert drei Gründe: Wir fühlen uns danach besser, solidarisieren uns mit anderen und fördern die gesellschaftliche Harmonie.

Klatsch und Tratsch haben nicht den allerbesten Ruf. „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“, heißt es in der Bibel – und das schließt heimliche Lästereien eigentlich aus. Auch die Klatschpresse genießt ein zweifelhaftes Ansehen, mit all ihren Geschichten aus der Privat- und Intimsphäre der Stars. Doch weder religiöse Gebote noch das Schmuddelimage der Boulevardpresse ändern etwas daran, dass viele von uns gerne über andere Menschen herziehen, die just in den Moment natürlich nicht anwesend sind – und dass wir uns gerne über die neuen Eskapaden von Hollywood-Sternchen austauschen. Klassisches Lästern eben. Egal ob über Bekannte, Kollegen oder Stars.

Doch Klatsch und Tratsch erfüllen noch mehr Funktionen, als bloß unsere Sensationslust zu befriedigen oder die Neugierde zu stillen. Zahlreiche Wissenschaftler haben sich in den vergangenen Jahrzehnten mit der Psychologie des Lästerns beschäftigt. Vereinfacht gesagt lautet ihre Erkenntnis: Ohne Lästern kann eine Gesellschaft nicht funktionieren – und der Einzelne nicht leben.

Der südafrikanische Soziologe Max Gluckman resümierte bereits in den Sechzigerjahren, dass Klatsch ein sozialer Klebstoff ist, der Gruppen zusammenhält. Die Menschen tauschen sich über gemeinsame Normen und Werte aus. Wer die ignoriert, wird isoliert. Ausgrenzen verbindet eben – und sorgt letztendlich für mehr Solidarität und Zusammenhalt. Mehr noch: Die Allgegenwärtigkeit von „Gossip“ kann sogar ein Klima schaffen, in dem sich mieses Verhalten nicht mehr lohnt – weil es sofort weiterverbreitet wird und zu sozialer Ächtung führt.

Wie stark das Bedürfnis ist, durch Lästern gesellschaftliche Harmonie zu fördern, zeigt jetzt eine Studie, die in der neuen Ausgabe des „Journal of Personality and Social Psychology“ erschienen ist. Im ersten Versuch verbanden Psychologen um Matthew Feinberg von der Stanford Universität 52 Studenten mit einen Herzfrequenzmonitor, der ihren Puls aufzeichnete. Nun beobachteten die Probanden zwei Personen bei einem Spiel. Nach wenigen Minuten wurde allerdings deutlich, dass einer der beiden Spieler pfuschte, um mehr Punkte zu sammeln – und das ging nicht spurlos an den Beobachtern vorbei. Während sie den Betrüger sahen, stieg nämlich ihr Puls.

Nach einigen Minuten unterbrach Feinberg das Spiel und gab dem einen Teil der Probanden die Gelegenheit, den vermeintlich benachteiligten Spielern eine handgeschriebene Notiz zukommen lassen. Diese Gelegenheit nahmen fast alle Studenten wahr: Sie warnten die Person vor ihrem betrügerischen Spielpartner. Und siehe da: Der Puls sank wieder.

In zwei weiteren Versuchen war das Resultat ähnlich: Wer die negativen Eigenschaften einer Person bei einem Dritten anprangern konnte, der nutzte die Chance auch – und fühlte sich gleich besser. In einem der Experimente nahmen viele Teilnehmer sogar finanzielle Einbußen auf sich, nur um die Läster-Nachricht schreiben zu dürfen. „Wenn wir unmoralisches Verhalten beobachten, wächst unser Frust“, sagt Ko-Autor Robb Willer, „wenn wir diese Information weiterreichen können, fühlen wir uns besser.“

Das klingt theoretisch prima – funktioniert aber praktisch nicht immer. Wer jemanden wirklich ausnutzen will, wird sich auch nicht davon abhalten lassen, dadurch womöglich zum Ziel von Klatsch und Tratsch zu werden. Aber dennoch zeigt auch diese Studie, dass Lästern durchaus positive Aspekte hat – und liefert eine weitere Erklärung dafür, warum wir es so gerne tun: weil wir uns danach erstens besser fühlen, uns zweitens mit anderen solidarisieren und drittens die gesellschaftliche Harmonie fördern.

Quelle:
Matthew Feinberg, Robb Willer, Dacher Keltner (2012). Flustered and faithful: Embarrassment as a signal of prosociality. In: Journal of Personality and Social Psychology, Ausgabe 102, Nummer 1, Seite 81-97.

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