Haltung annehmen – Warum die Körpersprache unser Schmerzempfinden beeinflusst

Zugegeben, es klingt ein wenig skurril: Eine Psychologin behauptet in einer neuen Studie, ein simples Mittel gegen Schmerzempfindlichkeit gefunden zu haben – die richtige Körpersprache. Selbst unsere Mitmenschen können uns dabei manipulieren.

Mediziner, Hirnforscher und Psychologen beschäftigen sich schon seit langem mit dem Phänomen körperlicher Schmerzen. Nicht zuletzt deshalb, weil dabei auch die Psyche eine Rolle spielt: Schmerz ist nicht nur höchst unangenehm – es sei denn, man gewinnt daraus sexuelle Befriedigung -, sondern auch völlig subjektiv. Was der eine bereits als Tortur empfindet, entlockt dem anderen nicht mal ein müdes Lächeln.

Immerhin haben Forscher in den vergangenen Jahren zahlreiche Methoden gegen Schmerzen gefunden: Seitdem wissen wir, dass der Anblick unseres Partners Schmerzen ebenso lindert wie tiefes Durchatmen. Vanessa Bohns, Psychologin an der Universität von Toronto, hat jetzt in einer Studie (.pdf) eine neue Methode entdeckt. Die Essenz ihrer Untersuchung: Eine bestimmte Körperhaltung lindert unser Schmerzempfinden und erhöht gleichzeitig unsere Schmerzgrenze. Aber der Reihe nach.

Dominantes Auftreten

Sowohl im Tierreich als auch bei Menschen drückt sich Dominanz auch in der Körpersprache aus – Alphamännchen und -weibchen demonstrieren ihre Vormachtstellung gerne durch einen geraden Rücken, breite Schultern oder ausladende Schritte. Das Faszinierende ist: Unsere Posen senden nicht nur Signale an unsere Mitmenschen, sondern beeinflussen auch unser eigenes Verhalten.

Studien haben in der Vergangenheit nämlich zeigen können: Wer durch seine Körpersprache Macht signalisiert, verhält sich oft so, als würde er diese Macht tatsächlich besitzen – und wer Macht hat, war in Experimenten häufig schmerzresistenter. Vanessa Bohns fragte sich nun, ob das auch direkt funktioniert – ob also eine bestimmte Körperhaltung unempfindlicher macht.

Im ersten Experiment teilte sie 89 Teilnehmer drei verschiedenen Yoga-Positionen zu: Gruppe A sollte eine äußerst dominante Körperhaltung einnehmen, Gruppe B hingegen eine defensive Haltung, Gruppe C eine neutrale. Im Anschluss legte Bohns allen Probanden ein Blutdruckmessgerät um den Arm. Damit klemmte sie ihnen nun kurz das Blut ab, allerdings sollten sie sofort „Stopp!“ rufen, sobald der Schmerz unerträglich wurde.

Danach sollten sie 20 Sekunden lang wieder ihre jeweilige Yogapose einnehmen, zum Schluss testete Bohns erneut die Schmerzgrenze. Ergebnis: Die Mitglieder von Gruppe A waren am wenigsten schmerzempfindlich und riefen am spätesten „Stopp!“.

Echte Manipulation

Das noch spannendere Experiment folgte jedoch erst jetzt. Wieder schloss Bohns 30 Freiwillige an ein Blutdruckmessgerät an und testete ihre Schmerzgrenze. Außerdem sollten sie 20 Sekunden lang einen so genannten Hand-Dynanometer drücken – dieses Gerät bemisst, wie viel Kraft jemand in den Händen hat.

Nun sollten sie eine Serie von Naturfotos anschauen, gemeinsam mit einem Komplizen von Bohns. Den hatte sie vorher genau instruiert: Mal nahm er eine dominante Körperhaltung ein, sprach also laut, rückte den Probanden recht nah auf die Pelle und machte ausladende Gesten. Bei den anderen demonstrierte er durch seine Körpersprache eher Unterwürfigkeit – er redete mit leiser, sanfter Stimme und vermied allzu engen Körperkontakt.

Nachdem die Freiwilligen alle Fotos angeschaut hatten, testete Bohns wieder deren Schmerzgrenze und die Kraft in ihren Händen. Kaum zu glauben: Die Körperhaltung, die Bohns‘ Komplize zuvor eingenommen hatte, wirkte sich enorm auf die Probanden aus. Saßen sie der dominanten Person gegenüber, hatten sie eine niedrigere Schmerzgrenze als jene mit gehorsamem Gegenüber.

Mehr noch: Die Kraft in den Händen war nach der Konfrontation mit dem Alphatier ebenfalls geringer. Offenbar sorgte das dominante Auftreten des Komplizen buchstäblich dafür, die Probanden zu schwächen – und sie empfindlicher für Schmerzen zu machen.

Die Studie bestätigt die neuen Erkenntnisse zum Thema Embodiment. Vereinfacht gesagt steckt dahinter die Entdeckung, dass sich seelische Befindlichkeiten nicht nur körperlich zeigen, also etwa durch Gestik oder Mimik – sondern auch umgekehrt: Ein körperlicher Zustand wirkt sich auf die Psyche aus. Erst vor wenigen Monaten konnte ein US-Psychologe zeigen, dass Menschen hilfsbereiter sind, nachdem sie eine Treppe nach oben gestiegen sind, wohingegen die Selbstlosigkeit abnimmt, wenn man sie in den Keller schickt.

Und geht es nach Vanessa Bohns, dann werden solche Reaktionen nicht nur durch uns selbst ausgelöst – sondern auch durch unsere Mitmenschen. Ohne dass wir es merken.

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