Lähmende Angst – Warum Belohnungen zum Versagen führen können

Egal ob in einer Klausur oder beim Sport: Manchmal versagen wir im entscheidenden Moment. Einer neuen Studie zufolge liegt das mitunter an zu hohen Belohnungen – und die machen sich auch im Gehirn bemerkbar.

Es klingt theoretisch simpel: Je größer die Belohnung, desto stärker strengen wir uns an. Das Kalkül dahinter: Wenn wir mehr gewinnen können, sind wir motivierter und legen uns umso mehr ins Zeug. Praktisch jedoch funktioniert das nicht so einfach.

Zum einen, weil die sprichwörtlichen Möhren vor der Nase die intrinsische, also von innen kommende Motivation mitunter zerstören. Wir konzentrieren uns schlimmstenfalls nur noch auf die Belohnung, Spaß und Freude verschwinden. Zum anderen ist es denkbar, dass finanzielle Anreize uns zu stark unter Druck setzen.

Psychologen begründen das mit zwei Theorien. Die Vertreter der distraction theory gehen davon aus, dass der Druck uns von der eigentlichen Aufgabe ablenkt. Wir sorgen uns mehr um die Situation und ihre Folgen, anstatt uns auf die Aufgabe zu konzentrieren. Anhänger der monitoring theory hingegen vermuten, dass der Stress dazu führt, dass wir uns zu stark auf das Ziel fokussieren und dadurch verkrampfen.

Aber was genau passiert beim Versagen in unserem Gehirn? Und warum schmälern höhere Belohnungen unsere Leistung? Antworten auf diese Fragen hat der Neurowissenschaftler Vikram Chib vom California Institute of Technology in einer neuen Studie gefunden, die kürzlich im Fachjournal „Neuron“ erschienen ist.

Ruhiges Händchen

Für ein Experiment absolvierten 18 Probanden am Computer eine Geschicklichkeitsaufgabe. Darin sollten sie eine virtuelle Sprungfeder in ein winziges Feld steuern. Die Schwierigkeit bestand zum einen darin, dass die Feder ständig hin- und herwackelte – und zum anderen hatten die Freiwilligen nur zwei Sekunden Zeit, das Ziel zu erreichen. Mit anderen Worten: Sie brauchten ein ruhiges Händchen.

Der Versuch fand an zwei aufeinanderfolgenden Tagen statt. Am ersten Tag durchliefen die Probanden zunächst 500 Testdurchgänge. Dadurch konnte Chib feststellen, wie gut jeder Einzelne war und den Zielkorridor entsprechend anpassen – so dass am zweiten Tag auch jeder Proband Erfolge erlebte. Denn das lohnte sich.

Beim zweiten Durchlauf winkte den Freiwilligen eine Belohnung, und deren Höhe richtete sich nach dem Schwierigkeitsgrad. Mal gab es gar nichts, mal 5 und 10 US-Dollar, bei den komplizierten Aufgaben winkten 25, 50, 75 und 100 Dollar.

Man könnte davon ausgehen, dass sich die Teilnehmer bei den höheren Belohnungen auch mehr anstrengten; dass sie sich stärker konzentrierten, möglichst ruhig zu bleiben, um das Geld zu ergattern – und dadurch letztlich auch bessere Ergebnisse erzielten. Weit gefehlt.

Bei den hohen Schwierigkeitsgraden machte Chib eine interessante Beobachtung: Zunächst verbesserten sich die Studenten mit steigender Belohnung tatsächlich – aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Winkte eine Belohnung von 100 Dollar, verkrampften die Studenten regelrecht. Mit dem Ergebnis, dass ihre Leistung schwächer wurde. Und das zeigte sich auch im Gehirn.

Während sie an den Computer saßen, maß Chib mithilfe eines funktionellen Magnetresonanztomographen (fMRI) die Hirnaktivität der Probanden. Und siehe da: Die Reaktion auf die steigende Belohnung machte sich auch dort bemerkbar.

Lähmende Angst

Chib konzentrierte sich beim fMRI auf das so genannte ventrale Striatum, einem Teil des Großhirns. Aus früheren Untersuchungen ist bekannt, dass diese Region bei Belohnungen eine große Rolle spielt. Und dabei stellte der Forscher fest: Als die Probanden von der möglichen Belohnung erfuhren, reagierte auch das Striatum – je größer die Belohnung, desto stärker die Reaktion. Doch als sich die Teilnehmer dann an die Aufgabe machten – und den Anreiz dabei im Hinterkopf hatten -, sackte die Aktivität in der Hirnregion ab.

„Wer die Belohnung sieht, verbucht sie zunächst als Gewinn“, sagt Chib, „doch wenn es an die eigentliche Aufgabe geht, hat man Angst, diese Belohnung zu verlieren.“ Diese Befürchtung lähmt – und führt letztlich zum Leistungseinbruch.

Chib appelliert daran, die Ergebnisse seiner Studie auch im Arbeitsalltag zu beachten. Wer eher auf Sicherheit bedacht sei und Risiko scheue, bringe seine beste Leistung bereits bei niedrigen Anreizen. Große Belohnungen hingegen irritierten solche Menschen tendenziell – und führten eher zum Versagen, wenn es besonders drauf ankomme.

Quelle:
Vikram Chib et al (2012). Neural Mechanisms Underlying Paradoxical Performance for Monetary Incentives Are Driven by Loss Aversion. Neuron, Ausgabe 74, Seite 582-59

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