Hörsinn und Tastsinn haben gemeinsame genetische Basis

Hören Sie schlecht? Und haben Sie auch Probleme damit, Dinge zu ertasten? Kein Wunder: Laut einer neuen Studie haben unser Hör- und unser Tastsinn eine gemeinsame genetische Basis.

So unterschiedlich alle Wirbeltiere sind, eines haben alle gemeinsam: Um Klänge hören und Gegenstände ertasten zu können, werden mechanische Reize in elektrische Signale umgewandelt. Beim Hören lösen die Schallwellen bestimmte Schwingungen aus, die die so genannten Haarzellen im Ohr verbiegen – und die setzen den mechanischen Reiz in elektrische Signale um. Diese wiederum gelangen über den Hörnerv in das Gehirn.

Ähnlich ist es beim Tasten: Der mechanische Reiz, etwa das Gleiten mit den Fingern über eine Oberfläche oder das Wahrnehmen von Vibrationen, wird über Sensoren in der Haut aufgenommen und via elektrischem Reiz an das Gehirn weitergeleitet.

In den vergangenen Jahren sind beim Menschen rund 70 Gene identifiziert worden, die Schwerhörigkeit oder Taubheit auslösen können – aber noch keine Gene, die den Tastsinn beeinflussen. Das wollten Henning Frenzel und Gary Lewin vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin ändern. Und deshalb schlossen sie sich für ihre neue Studie mit einer Reihe von Kollegen zusammen und untersuchten über einen Zeitraum von fünf Jahren insgesamt 518 Freiwillige.

In verschiedenen Tests mit 100 Zwillingspaaren, darunter sowohl eineiige als auch zweieiige, zeigte sich, dass deren unterschiedlichen Tastfähigkeiten zu mehr als 50 Prozent durch Gene bestimmt wurden. Außerdem bestand ein Zusammenhang zwischen dem Hörsinn und Tastsinn. Die Forscher vermuteten deshalb, dass bei beiden ähnliche Gene eine Rolle spielen.

Im nächsten Schritt gingen sie deshalb in eine Schule für Hörbehinderte in Berlin. Dort untersuchten sie die Tastfähigkeit von 39 Jugendlichen, die von Geburt an schwerhörig sind. Und siehe da: Bei auffällig vielen war der Tastsinn nur schwach ausgeprägt.

Für die letzte Untersuchung gewannen sie Patienten mit dem Usher-Syndrom. Dabei handelt es sich um eine besonders heimtückische Erbkrankheit, bei der die Betroffenen sowohl den Seh- als auch den Hörsinn verlieren. Und dabei konnten sie zeigen, dass nur diejenigen Patienten einen weniger empfindlichen Tastsinn hatten, die eine Mutation des Gens mit dem Kürzel „USH2A“ aufwiesen – und genau diese Mutation ist auch für die Schwerhörigkeit verantwortlich. Die 29 Usher-Syndrom-Patienten, bei denen diese Mutation nicht festgestellt werden konnte, konnten normal tasten.

Und noch ein interessantes Detail fanden die Forscher in ihrer Studie heraus. „Wenn Frauen beklagen, dass ihre Männer ihnen nicht richtig zuhören, dann ist da in der Tat etwas dran“, sagt Gary Lewin. Denn zumindest die weiblichen Probanden der Studie konnten besser hören als die männlichen – und feinfühliger waren sie auch.

Quelle:
Henning Frenzel, Gary Lewin, et al. A Genetic Basis for Mechanosensory Traits in Humans. PLoS Biology, Ausgabe 10, Band 5.

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