Aha-Effekt – Ablenkungen machen kreativ

Grübeln Sie seit Stunden oder Tagen über einem Problem, finden aber keine Lösung? Dann hat ein US-Forscher einen Ratschlag: Lenken Sie sich mit etwas anderem ab! Denn dadurch werden sie kreativer.

Das älteste Aha­-Erlebnis der Welt geht auf den griechischen Mathematiker Archimedes zurück. Der sollte einst für den König von Syrakus herausfinden, ob dessen Krone wirklich aus reinem Gold war. Allerdings durfte er diese dabei nicht beschädigen.

Archimedes grübelte tagelang über der Aufgabe. Als er schließlich ein Bad nahm, schwappte das Was­ser über die Wanne. „Heureka!“, rief der Grieche und lief vor Freude angeblich nackt durch die Straßen. Der Grund für seine blanke Euphorie: Er hatte das Archimedische Prinzip entdeckt. Demnach lässt sich anhand der verdrängten Wassermenge die Dichte eines Körpers bestimmen – oder eben wie viel Gold in einer Krone steckt.

Plötzliche Erleuchtung

Anekdoten plötzlicher Erleuchtungen gibt es Dutzende. Egal ob Isaac Newton oder Albert Einstein – viele Kreative berichteten später davon, wie sie einst stundenlang über einem Problem grübelten. Aber erst als sie sich mit etwas anderem ablenkten und vermeintlich Zeit verschwendeten, kam ihnen die Lösung für das ursprüngliche Problem in den Sinn.

Auch zahlreiche Wissenschaftler haben sich in den vergangenen Jahren mit den Vorteilen solcher Ablenkungen und Tagträume beschäftigt. Und jetzt bestätigt eine neue Studie, die bald im Fachjournal „Psychological Science“ veröffentlicht wird, was Psychologen schon lange vermuten: Ablenkungen machen kreativ.

Benjamin Baird, Doktorand an der Universität von Kalifornien in Santa Barbara, ließ dafür 145 Freiwillige im Alter zwischen 19 und 32 einen Kreativitätstest lösen. Dabei wird den Teilnehmern ein Wort gezeigt, beispielsweise „Backstein“. Nun sollen sie so schnell wie möglich notieren, wo und wie man den Stein einigermaßen sinnvoll einsetzen könnte. Etwa: als Briefbeschwerer, Türstopper oder Wurfgeschoss. Je mehr ihnen einfällt, desto besser.

Noch mehr Aha-Effekte finden Sie in meinem ersten Buch „Ich denke, also spinn ich“, das ich gemeinsam mit Jochen Mai geschrieben habeNach zwei Minuten stoppte Baird die Übung und steckte die Probanden via Zufallsprinzip in vier Gruppen: Die einen durften zwölf Minuten einfach nichts tun, die anderen setzten sich ohne Pause an den nächsten Test. Die dritte Gruppe bekam eine andere Aufgabe gestellt, die ihre volle Aufmerksamkeit forderte.

Der vierten legte Baird hingegen einen eher simplen Test vor: Auf einer Leinwand sahen sie Ziffern von eins bis neun, sie mussten nur entscheiden, ob die Zahl gerade oder ungerade war. Der Hintergrund: Aus früheren Studien ist bekannt, dass der Test bei den Teilnehmern Tagträume auslöst. Er beschäftigt sie zwar eine Weile lang, ist aber zu simpel, um die geistigen Ressourcen voll auszuschöpfen.

Im Anschluss setzte Baird alle vier Gruppen wieder an die Ursprungsaufgabe. Die Hälfte aller Teilnehmer bekam neue Begriffe vorgelegt, die andere Hälfte die Begriffe vom ersten Mal. Mit anderen Worten: Sie beschäftigten sich mit demselben Problem. Was nun folgte, dient als Plädoyer für gelegentliche Zerstreuung.

Erhebliche Steigerung

Jene Probanden, die die Zwischenzeit mit einer simplen Aufgabe verbracht hatten, konnten ihre Leistung nämlich erheblich steigern – und zwar um 41 Prozent! Allerdings nur dann, wenn sie denselben Begriff vorgesetzt bekamen. Alle anderen Gruppen blieben konstant, egal ob bei alten oder neuen Begriffen.

„Situationen, die uns ablenken und die Gedanken schweifen lassen, fördern die Kreativität“, resümiert Baird. Vermutlich deshalb, weil solche Tagträume verschiedene Gehirnregionen miteinander verknüpfen und uns auf neue Ideen für alte Probleme bringen.

Die Studie ist ein weiterer Beleg dafür, dass wir uns im Alltag gelegentlich mit vermeintlich unnützen Tätigkeiten ablenken sollten. So lange man es nicht übertreibt, kann das den Einfallsreichtum durchaus fördern und zum „Heureka“ führen. Man muss ja nicht gleich nackt durch die Straßen rennen.

Quelle:
Benjamin Baird et al (2012). Mind-wandering facilitates creative incubation. Psychological Science.

3 Kommentare

  1. Ja – wenn wir eben zu lange über irgendetwas nachdenken und es geht nicht weiter, hilft es eben sich zum Beispiel bei Bewegung oder im Freien zu entspannen. Das macht uns wohl offener für die Lösung, die dann kommen kann.

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