Objektive Selbsteinschätzung fällt den meisten Menschen ziemlich schwer. Eine neue Studie liefert eine Erklärung: Wenn wir uns selbst beurteilen, legen wir andere Maßstäbe an – weil wir uns nach überdurchschnittlichen Leistungen sehnen.
Zum Beispiel bei der Geldanlage: Wir glauben, uns auszukennen, und investieren in Werte, die wir doch nicht richtig einschätzen können. Burton Malkiel, Ökonomie-Professor an der Princeton-Universität, behauptete einst, dass es besser sei, seine Geldanlage einem Affen zu überlassen.
Die Redaktion der „Chicago Sun Times“ nahm Malkiel im Jahr 2003 beim Wort. Zu Jahresbeginn reichte man einem Weißstirnkapuziner namens Adam Monk den Kursteil der Zeitung und einen Stift. Damit kritzelte er fünf Aktien an. Nach zwölf Monaten hatte Adam den Markt um 37 Prozent geschlagen.
Zugegeben, besonders nachhaltig ist es nicht, sein Vermögen einem Wesen anzutrauen, das sich hauptsächlich von Früchten ernährt und auf Bäumen lebt. Aber häufig ist es immer noch besser, als sich selbst als Investmentprofi zu versuchen. Das Kernproblem ist: Wir können nicht objektiv einschätzen, ob wir dazu wirklich die Fähigkeiten haben – denn wir neigen dazu, uns ständig falsch zu bewerten. Oder genauer gesagt: nach falschen Maßstäben.
Das beweist eine neue Studie (.pdf) von Elanor Williams, Wissenschaftlerin an der Universität von Florida. Gemeinsam mit dem renommierten Sozialpsychologen Thomas Gilovich (Cornell Universität) widmete sie sich darin der Frage, welche Maßstäbe wir bei der Selbstreflektion anwenden – und welche bei der Bewertung anderer Personen. Um es vorwegzunehmen: Zwischen beiden besteht ein erheblicher Unterschied.
Gut getroffen
Im ersten Experiment machte Williams zunächst Porträtfotos von 79 Freiwilligen. Jeweils zwölf Mal knipste sie die Studenten – mal vor einer weißen Wand, mal vor einer schwarzen Tafel, mal im Hoch-, mal im Querformat, mal mit lächelndem Gesicht, mal mit ernstem. Diese zwölf Fotos sahen die Teilnehmer direkt im Anschluss auf einem Monitor. Drei Fragen sollten sie nun beantworten: Wie gut reflektieren die zwölf Bilder dein wahres Aussehen? Welches Foto trifft dich am besten? Und wie attraktiv findest du dich auf den einzelnen Fotos?
Danach wartete noch eine weitere Aufgabe. Die eine Hälfte der Studenten sollte nun Fotos anderer Teilnehmer auf dieselben Kriterien abklopfen. Die andere Hälfte sollte Bilder von Prominenten beurteilen, etwa Nicholas Cage, Jim Carrey oder Tom Hanks. Es kam, wie es Williams und Gilovich vorausgeahnt hatten: Die Teilnehmer bewerteten die eigenen Fotos anders als die Bilder fremder Personen.
Tendenziell beurteilten alle ein Foto, auf dem sie sich selbst besonders attraktiv fanden, auch als besonders repräsentativ. In Gruppe A fanden 58 Prozent aller Teilnehmer ihr schönstes Foto am passendsten, aber nur 40 Prozent fanden das schönste Foto der fremden Person besonders typisch. In Gruppe B hielten 50 Prozent ihr schönstes Bild für charakteristisch – aber nur 17 Prozent fanden das schönste Foto des Promis besonders repräsentativ.
Toller Charakter
Ein ähnliches Resultat erhielt Williams in zwei weiteren Versuchen. Bei einem davon sollte ein Teil der Probanden angeben, ob sie selbst über positive Charaktereigenschaften verfügten – beispielsweise Ehrlichkeit, Humor, Warmherzigkeit oder Freundlichkeit. Der andere Teil sollte sagen, inwieweit diese Eigenschaften bei einem Freund vorhanden waren. Und siehe da: Wieder gaben sich die Teilnehmer bei der Selbsteinschätzung höhere Punktzahlen als jene, die eine andere Person beurteilten.
Im letzten Versuch sollte eine Gruppe von Studenten prognostizieren, wie gut ihre Noten am Semesterende sein würden. Manchen davon reichte Williams zusätzlich die bisherige Leistungsübersicht eines fremden Kommilitonen, auch dessen Leistung sollten sie vorhersagen. Und dabei bemerkten die Forscher: Wenn es um eine Prognose ihrer eigenen Leistung ging, orientierten sich die Studenten eindeutig an ihren Bestnoten. Sollten sie hingegen die Leistung eines fremden Kommilitonen vorhersagen, beachteten die Studenten dessen Durchschnittsnote.
Williams nennt dieses Phänomen den „better-than-my-average effect“, was frei übersetzt soviel heißt wie „Überdurchschnittlichkeits-Effekt“. Dafür verantwortlich ist unser Wunsch, aus der Masse hervorzustechen und überdurchschnittlich zu sein. „Wenn wir uns selbst einschätzen, fokussieren wir uns auf unsere besten Leistungen“, sagt Elanor Williams. Denn in genau diesen Spitzenleistungen erkennen wir uns am liebsten wieder. Unsere durchschnittlichen Leistungen schlabbern wir lieber.
Müssen wir hingegen andere Personen beurteilen, sind uns deren wahre Ambitionen meist unbekannt. Wir wissen nicht, ob sie gerade besonders gut oder schlecht abgeschnitten haben. Also konzentrieren wir uns lieber auf einen Durchschnittswert – und halten den eher für charakteristisch und repräsentativ.
„Menschen wollen für sich selbst nun mal das Optimum herausholen“, sagt Williams. Haben wir dieses Optimum erreicht, erscheint es uns völlig typisch. „Es ist also nur logisch, sich selbst für überdurchschnittlich zu halten.“
Quelle:
Elanor Williams und Thomas Gilovich (2011). The better-than-my-average effect: The relative impact of peak and average performances in assessments of the self and others. Journal of Experimental Social Psychology
Jetzt rauben uns die Forscher auch noch alle Illusionen ^^
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