Placebo-Schlaf – Der eingebildete Wache

Der Glaube versetzt angeblich Berge. Eine neue Studie bestätigt das Sprichwort. Wer davon ausgeht, gut geschlafen zu haben, schlägt sich in Konzentrationstests besser – und umgekehrt. Der Placebo-Effekt gilt offenbar auch beim Schlafen.

Als Entdecker des Placebo-Effekts gilt der amerikanische Anästhesist Henry Knowles Beecher. Er beobachtete, dass Soldaten von einer Salzlösung körperlich profitierten – solange man ihnen die harmlose Flüssigkeit als starkes Schmerzmittel verkaufte.

Seitdem versteht man unter dem Placebo-Effekt das Phänomen, dass der Glaube vielleicht keine Berge versetzen, aber zumindest die Gesundheit verbessern kann.

Doch der Placebo-Effekt gilt längst nicht nur im pharmakologischen Bereich. Alia Crum und Ellen Langer entdeckten in einer Studie: Zimmermädchen eines Hotels, die auf die körperlichen Vorteile ihres Jobs hingewiesen wurden, nahmen stärker ab als eine Kontrollgruppe. Eine andere Studie zeigte: Glaubten die Probanden, einen besonders kalorienhaltigen Milkshake zu trinken, reagierte ihr Körper anders.

Jetzt haben zwei Psychologinnen einen weiteren, nicht minder kuriosen Einfluss des Placebo-Effekts gefunden.

Christina Draganich und Kristi Erdal vom Colorado College befragten für ihre Studie zunächst 164 Freiwillige, wie sie in der vergangenen Nacht geschlafen hatten. Dann belehrten sie sie über die positiven Aspekte von ausreichend Schlaf und die negativen Folgen von Schlafmangel. Vor allem betonten die Wissenschaftlerinnen, wie sehr sich die Nachtruhe auf die Leistung in Gedächtnis- und Aufmerksamkeitstests auswirkte.

Nun teilten sie ihnen mit, dass sie noch einige körperliche Werte prüfen würden – Puls, Herzschlag, Gehirnströme. Am Ende gaukelten sie der einen Hälfte vor, dass sie laut der Messungen in der vergangenen Nacht besonders schlecht geschlafen hatte. Der anderen Hälfte wurde hingegen suggeriert, gut geschlafen zu haben.

Im Anschluss sollten alle Freiwilligen verschiedene Aufmerksamkeits- und Gedächtnistests lösen. Kaum zu glauben: Der Placebo-Effekt wirkte.

In jedem einzelnen Durchgang schlug sich die vermeintlich ausgeschlafene Gruppe wesentlich besser als jene, die von Schlafmangel ausgingen. Sie erzielten sogar mehr Punkte als Erwachsene normalerweise erreichen. Und das, obwohl sie in Wahrheit gar nicht besser geschlafen hatten. Die andere Gruppe schnitt deutlich schlechter ab.

Mögliche Erklärung: Mit Schlafmangel assoziieren die meisten Menschen einen Leistungseinbruch. Die Konzentration sinkt, die Aufmerksamkeit auch, die Fehlerquote steigt. Und deshalb wird die Leistung zur selbst erfüllenden Prophezeihung. Der Glaube versetzt sprichwörtlich Berge.

Quelle:
Christina Draganich und Kristi Erdal (2014). Placebo Sleep Affects Cognitive Functioning. Journal of Experimental Psychology: Learning, Memory, and Cognition

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