Noch immer scheuen viele Homosexuelle ihr Coming-Out, meist aus Angst vor beruflichen oder privaten Problemen. Jetzt haben US-Psychologen untersucht, wann der Schritt in die Öffentlichkeit besonders glücklich macht – und wann nicht.
„Ich bin schwul, und das ist auch gut so“. Mit diesen Worten sorgte der heutige Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit einst für Schlagzeilen. Ziemlich genau zehn Jahre ist sein Coming-Out nun her, am 10. Juni 2001 sagte Wowereit den berühmten Satz in einer offiziellen Rede.
Die so genannte Homo-Ehe feiert am 1. August ihr zehnjähriges Jubiläum, doch auch heute noch scheuen viele Homosexuelle den Schritt in die Öffentlichkeit. Immer wieder gibt es beispielsweise Gerüchte über schwule Fußballer, doch bislang hat sich in Deutschland kein aktiver Profi als homosexuell geoutet. Glaubt man einer neuen Untersuchung des renommierten US-Psychologen Richard Ryan von der Universität von Rochester, ist das nur allzu verständlich.
Für seine Studie befragte er gemeinsam mit seinen Kolleginnen Nicole Legate und Netta Weinstein 161 Homosexuelle, die zwischen 18 und 65 Jahre alt waren. Etwa ein Drittel der Teilnehmer war schwul, ein weiteres Drittel lesbisch, die restlichen bisexuell.
Ryan und Co. interessierte nicht nur, ob die Befragten sich geoutet hatten, sondern vor allem, welche Erfahrungen sie hinterher in ihren unterschiedlichen Netzwerken gemacht hatten – also auf der Arbeit, in der Familie, im Freundeskreis oder einer Religionsgemeinschaft.
Erste Erkenntnis: Offenbar wirkt sich die Art der Umgebung erheblich auf die Transparenz aus. In ihrer Religionsgemeinschaft verbargen die Teilnehmer ihre sexuelle Orientierung am häufigsten, 69 Prozent behielten sie hier für sich. In der Schule (50 Prozent) und im Job (45 Prozent) neigten die Befragten ebenfalls zur Heimlichtuerei. Wesentlich offener gingen sie mit ihrer Neigung im Familienkreis um, hier bekannten sich immerhin 64 Prozent. Am wohlsten fühlten sie sich mit dem Coming-Out im Freundeskreis, hier spielten 87 Prozent mit offenen Karten.
Die Ergebnisse erklären, warum sich manche Homosexuelle lieber für die Geheimniskrämerei entscheiden – denn längst nicht immer fühlen sich jene, die sich outen, auch hinterher besser. Umgebungen wie die Religionsgemeinschaft, die Schule oder den Arbeitsplatz empfanden sie als enorm kontrollierend – und deshalb behielten sie ihre Neigungen hier lieber für sich.
Dieses Fazit deckt sich mit der so genannten Selbstbestimmungstheorie, die Richard Ryan einst aufstellte. Demnach hat jeder Mensch drei universelle psychische Grundbedürfnisse: Autonomie, Kompetenz und soziale Eingebundenheit – und wenn diese Bedürfnisse nicht erfüllt sind, neigen Homosexuelle offenbar dazu, ihre Neigung zu verbergen.
Den Psychologen zufolge hat die Studie hat auch wichtige Erkenntnisse für die Arbeitswelt. „Generell profitieren alle Beschäftigten davon, wenn sie Unterstützung erfahren und ihre Eigenständigkeit gefördert wird“, sagt Ryan, „aber für Schwule und Lesben gilt das umso mehr.“ Denn je wohler und sicherer sie sich fühlen, desto eher entscheiden sie sich für ein Coming-Out – und das fördert nicht nur ihr körperliches Wohlbefinden, sondern auch die seelische Gesundheit. Zumindest dann, wenn ihre Umgebung darauf positiv reagiert.
Studie: Macht ein Coming-Out glücklich? http://bit.ly/l2DU2b #psychologie
Studie: Macht ein Coming-Out glücklich? http://bit.ly/l2DU2b #psychologie