Der unsichtbare Gorilla – Warum sehen wir den Wald vor lauter Bäumen nicht?

Laut des alten Sprichworts sehen wir manchmal vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr. Psychologen nennen dieses Phänomen Unaufmerksamkeitsblindheit. Laut einer neuen Studie ist dieser Defekt eng mit unserem Gehirn verknüpft.

Unser Arbeitsgedächtnis erfüllt gleich mehrere Funktionen. Es ist nicht nur dafür zuständig, Informationen vorübergehend zu speichern – sondern weist uns auch auf Veränderungen in unserer Umgebung hin. Das Problem ist jedoch, dass der Speicher des Arbeitsgedächtnisses äußerst gering ist – und dadurch übersehen wir bisweilen sogar Dinge, die sich direkt vor unseren Augen abspielen.

Psychologen der Universität von Utah widmeten sich diesem Phänomen jetzt in einer neuen Studie. Grundlage der Untersuchung von Janelle Seegmiller war ein Video, dass die beiden US-Psychologen Daniel Simmons und Christopher Chabris vor einigen Jahren gedreht haben. Bevor ich näher auf Seegmillers Erkenntnisse eingehe, schauen Sie sich das Filmchen doch zunächst selbst an – aber achten Sie ausschließlich darauf, wie oft sich die Personen den Basketball zupassen!

Mal ehrlich: Haben Sie den schwarzen Gorilla bemerkt? Ich habe ihn offen gestanden beim ersten Mal übersehen – und so geht es im Schnitt mehr als der Hälfte der Menschen, die sich das Video ansehen. Aber warum? Genau das wollte Seegmiller in ihrer Studie herausfinden. Um es vorwegzunehmen: Es liegt an der Kapazität des Arbeitsgedächtnisses.

Knapp 200 Studenten im Alter zwischen 18 und 35, die das Video vorher noch nie gesehen hatten, stellten sich der Psychologin zur Verfügung. Die testete mittels eines Tests zunächst deren Gedächtnisleistung. Dabei mussten die Probanden einfache Rechenaufgaben lösen und sich danach einen Buchstaben merken. Beispiel: „Wenn man 8 durch 4 teilt und dann mit 3 addiert – kommt dann 4 heraus? A.“ Jeder Freiwillige bekam 75 dieser Aufgaben gestellt.

Im zweiten Teil schauten jene Teilnehmer, die mindestens 80 Prozent der Tests richtig gelöst hatten, obiges Video. Die Aufgabe nun: Zählen Sie, wie oft sich die Personen den Ball zuspielen! Fazit: Immerhin 42 Prozent der Teilnehmer übersahen den Gorilla.

Doch als Seegmiller die Gruppe noch genauer analysierte, stellte sie fest: Wer im ersten Test besonders gut abschnitt – also über ein leistungsfähiges Arbeitsgedächtnis verfügte -, bemerkte den Gorilla in 67 Prozent der Fälle. Bei jenen mit schwachem Arbeitsgedächtnis lag diese Quote nur bei 36 Prozent.

Mit anderen Worten: Wer über eine hohe Auffassungsgabe verfügte, sah den Gorilla mit doppelt so hoher Wahrscheinlichkeit. Das Arbeitsgedächtnis sorgte also dafür, sich auf mehrere Dinge gleichzeitig konzentrieren zu können – einerseits die Personen samt Basketball, andererseits den schwarzen Gorilla. Die anderen sahen sozusagen den Wald vor lauter Bäumen nicht.

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