Warum spielen Jungs mit Autos und Mädchen mit Puppen?

Jungs spielen mit Autos, Mädls mit Puppen. So weit, so klischeehaft. Tatsache ist jedoch: Männer und Frauen haben häufig unterschiedliche Interessen – schon in der Kindheit. Bloß: Warum eigentlich?

Etwa ab dem 18. Monat entwickeln Jungen und Mädchen verschiedene Interessen. Während Jungen sich dann meistens Autos, Lastwagen oder Fußbällen widmen, beschäftigen sich Mädchen am liebsten mit Puppen. Ausnahmen bestätigen natürlich wie immer die Regel – und die beschäftigt Wissenschaftler schon seit langem. Die Kernfrage: Wie entstehen eigentlich diese geschlechtsspezifischen Unterschiede?

Beim Nachdenken sind Forscher auf zwei Theorien gekommen. Die einen glauben, dass Kinder sich zunächst einmal ihres Geschlechts bewusst werden, und zwar meist zwischen dem 17. und 21. Monat. Und ab dann imitieren sie gleichgeschlechtliche Vorbilder.

Die anderen vertreten die Ansicht, die Unterschiede entstünden durch Bestätigung. Vereinfacht gesagt: Die meisten Eltern frohlocken, wenn ihr Sohn mit einem Trecker spielt. Bevorzugt er Puppen, würden sich viele womöglich wundern – weil es in gewisser Weise den Konventionen widerspricht. Gleiches gilt umkehrt natürlich für Mädchen, die sich im Kinderzimmer lieber mit Spielzeugautos und Baggern beschäftigen.

Dahinter stecken aber nicht nur antiquierte Rollenvorstellungen, sondern vielmehr Veranlagungen – die übrigens nicht nur bei Menschen vorkommen. Männliche Schimpansen nutzen Stöcke eher dazu, andere zu schlagen, als ihre weiblichen Artgenossen. Männliche grüne Meerkatzen spielen länger mit einem Auto und einem Ball, wohingegen die Weibchen eine Puppe bevorzugen.

Joyce Benenson, Evolutionsbiologin an der Harvard Universität, hat in ihrer neuen Studie noch eine dritte Ursache gefunden: Offenbar liegt es Jungen näher als Mädchen, gewisse Bewegungen nachzuahmen – und zwar weitaus früher als bislang gedacht.

Für Benensons Untersuchung setzten sich 25 Jungen und 20 Mädchen mit einem Durchschnittsalter von etwa sieben Monaten auf den Schoß ihrer Mutter oder ihres Vaters. Vor ihnen standen zwei Monitore. Jetzt ließ die Wissenschaftlerin einen bunten Luftballon zwei Minuten lang an einem Faden von der Decke baumeln. Die Babys konnten nach dem Ballon greifen oder es sein lassen. Dann zog Benenson den Luftballon wieder hoch, das Licht im Raum ging aus, die Monitore an.

Darauf sahen die Babys nun kurze Videoclips. Auf dem linken Bildschirm hielt ein Erwachsener einen Luftballon mit beiden Händen fest und bewegte ihn auf- und abwärts. Auf dem rechten Monitor schlug derselbe Erwachsene auf denselben Ballon mit einer Hand ein – leicht, nicht brutal. Nach dem Ende des Videos ließ Benenson den Luftballon wieder von der Decke baumeln.

Wie die Jungen und Mädchen reagierten? Völlig unterschiedlich. Zum einen hatten die kleinen Jungen wesentlich länger auf den rechten Bildschirm gestarrt. Offenbar fanden sie es also faszinierender, einen Luftballon zu schlagen als ihn zärtlich zu streicheln. Zum anderen ahmten die Jungen genau dieses Verhalten hinterher öfters nach: Sie schlugen eher auf ihn ein als ihn hin und her zu wiegen. Die Mädchen hingegen reagierten uneinheitlich: Manche schlugen ihn, andere streichelten ihn – aber eine einheitliche Reaktion zeigten sie nicht.

Nun ist Benensons Untersuchung kein Beweis dafür, dass Jungen gewalttätiger sind als Mädchen. Vielmehr ist die Wissenschaftlerin davon überzeugt, dass Jungen schlicht gewisse Bewegungen näherliegen als Mädchen. Ein Indiz dafür, dass Jungen schon nach wenigen Monaten motorisch anders veranlagt sind als Mädchen – und diese Veranlagung könnte somit eine Basis für vermeintlich männliche Vorlieben im Kindesalter sein. Deshalb begeistern sich Jungen womöglich häufiger für jene Aktivitäten, bei denen sie eben diese Bewegungen ausführen können – wohingegen es Mädchen im Puppenhaus sprichwörtlich ruhiger und sanfter angehen lassen.

Quelle:
Joyce F. Benenson, Robert Tennyson, Richard W. Wrangham (2011). Male more than female infants imitate propulsive motion. Cognition, Band 121, Seite 262–267.

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