Sadistische Neigungen – Was bewegt Online-Trolle?

Kommentarspalten im Internet verkommen häufig zum Sammelplatz der Frustrierten: Onlinetrolle machen jede sinnvolle Diskussion zunichte. Aber was bewegt solche Nutzer? Laut einer neuen Studie neigen sie zu Sadismus, Narzissmus und Psychopathie.

Der Amerikaner Mike Godwin behauptete im Jahr 1990: In Online-Diskussionen ist es nur eine Frage der Zeit, bis jemand einen Nazivergleich einbringt. Das meinte er damals zwar satirisch, doch „Godwins Gesetz“ zeigt sich durchaus in der Realität.

Eigentlich ist es ja eine feine Idee, dass die Nutzer Texte, Fotos und Videos nicht nur konsumieren dürfen, sondern auch kommentieren können. Uneigentlich wirkt sich das im Alltag häufig negativ aus.

Kommentarspalten verkommen häufig zum Sammelplatz der Frustrierten und Gelangweilten. Jene, die sich nicht mit dem Inhalt auseinandersetzen, sondern vor allem motzen, pöbeln und schimpfen wollen.

Der neudeutsche Ausdruck für solche Nutzer lautet Trolle. Statt die direkte Konfrontation zu suchen, verstecken sie sich hinter anonymen Nutzernamen. Aus der Verborgenheit tippen sie Dinge in die Tastatur, die sie im direkten Gespräch niemals sagen würde. Ihr größter Lohn ist, wenn man auf ihre Provokationen auch noch reagiert.

So irritierend dieses Verhalten auf Außenstehende wirkt, so faszinierend ist es für Wissenschaftler.

Pnina Shachaf und Noriko Hara befragten für eine Studie im Jahr 2010 Wikipedia-Trolle, warum sie auf der Seite ihr Unwesen trieben. Als Hauptmotive nannten sie Langeweile, die Suche nach Aufmerksamkeit, Rache oder reines Vergnügen. Claire Hardaker resümierte im selben Jahr in ihrer Untersuchung, dass Trolle sich vor allem von Aggression sowie der Lust an Täuschung und Störung leiten ließen. Und die Kommunikationswissenschaftler Dominique Brossard und Dietram Scheufele konnten in einer Studie im vergangenen Jahr zeigen, dass unsachliche Nutzerkommentare die Meinung der Leser erheblich beeinflussen.

Trolls just want to have fun

Doch eine Frage blieb bislang offen: Gibt es charakterliche Dispositionen, die den Hang zum Online-Troll verstärken? Antworten fanden nun Wissenschaftler um Erin Buckels von der Universität von Manitoba – in einer Studie mit dem schönen Titel „Trolls just want to have fun“.

Im ersten Experiment reichten sie 418 Freiwilligen mit einem Durchschnittsalter von 29,2 Jahren einen Katalog mit verschiedenen Fragen. Machte es ihnen Spaß, anderen wehzutun? Neigten sie zu Narzissmus? Hatten sie Vergnügen an Rache?

Außerdem wollte Buckels wissen, wie viele Stunden sie damit zubrachten, Kommentare auf Internetseiten zu hinterlassen – und warum. Wollten sie mit Freunden kommunizieren? Über Ereignisse debattieren? Oder vor allem provozieren?

Zwar gaben nur knapp sechs Prozent an, dass sie die Kommentarspalten vor allem zum Trollen nutzten. Doch genau jene Befragten zeigten Anzeichen von Sadismus, Psychopathie, Narzissmus und Machiavellianismus – so bezeichnen Psychologen die Tendenz zur Gefühlskälte und zur Lust an der Manipulation.

Dasselbe Resultat erhielt Buckels, als sie 188 kanadische Studenten und 609 amerikanische Bürger befragte. Auch hier gab es einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem Spaß an Troll-Aktivitäten und dem Hang zum Sadismus.

„Netztrolle sind typische Alltagssadisten“, sagt Buckels. Sie empfänden eine diebische Freude daran, anderen Ärger, Stress und Kummer zu bereiten. „Sadisten wollen nur Spaß haben und das Internet ist ihr Spielplatz.“

Nun lässt die Studie keine kausalen Rückschlüsse zu. Es bleibt unklar, ob das Internet manche Nutzer zu Sadisten macht – oder ob Sadisten das Internet bloß als Ventil nutzen. Doch Fakt ist: Gewisse Individuen tun sich leichter damit, ihre Neigungen in der Anonymität auszuleben.

Quelle:
Erin Buckels, Paul Trapnell und Delroy Paulhus (2014). Trolls just want to have fun. Personality and Individual Differences

3 Kommentare

  1. trollen ist eine richtige Sportart geworden, wenn schon 6% es zugeben, kann man sich ja ausrechnen wie viele tatsächlich spaß am rumtrollen haben. „Alltagssadist“ ist übrigens ein gutes Wort, das merk ich mir mal 😉

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