Frage der Einstellung – Der Glaube versetzt Berge

Einem alten Sprichwort zufolge kann unser Glaube Berge versetzen. Eine neue Studie zeigt: Das funktioniert tatsächlich. Demnach steigert Aberglaube unsere Leistungsfähigkeit – sogar messbar.

Ich bin überhaupt nicht abergläubisch. Schwarze Katzen zu begegnen oder unter Leitern hindurchzugehen – alles kein Problem. Ich habe keinen Talisman oder irgendeinen anderen Glücksbringer. Aber wenn ich mir die Studie von Charles Lee, einem Psychologen der amerikanischen Universität von Virginia durchlese, dann sollte ich meine Einstellung vielleicht noch mal überdenken. Denn wenn man Lees Argumentation folgt, dann steigert Aberglaube tatsächlich unsere Leistungsfähigkeit.

Es klingt zwar zunächst ein wenig nach Hokuspokus – aber Psychologen konnten bereits in der Vergangenheit nachweisen: Viele Menschen gehen davon aus, dass Gegenstände ihre positiven oder negativen Eigenschaften gewissermaßen auf uns übertragen können. In einem Experiment (.pdf) des US-Psychologen Paul Rozin im Jahr 1986 bewerteten die Probanden Kleidung dann höher, wenn sie zuvor von Menschen getragen worden war, die ihnen sympathisch waren. Gehörten die Klamotten ungeliebten Menschen, schätzten sie sie weniger. Offenbar reicht schon ein kurzer Kontakt, um diesen Ansteckungseffekt auszulösen. Die Studie von Charles Lee beweist jetzt: Es genügt schon, wenn man jemandem etwas nur vorgaukelt.

Lee gewann für sein Experiment 41 Studenten, die in ihrer Freizeit gerne Golf spielten. Alle Teilnehmer hatten in etwa die gleiche Erfahrung – keiner war besonders herausragend, keiner besonders mies. Alle sollten auf einem künstlichen Putting Green einen Golfball in ein Loch spielen – mit ein und demselben Schläger. Doch vorab teilte Lee die Probanden in zwei Gruppen: Der einen Hälfte gaukelte er vor, sie dürften mit einem Schläger des Golfprofis Ben Curtis spielen. Damit die Teilnehmer das auch zu schätzen wissen, erinnerte Lee die Studenten noch mal an Curtis’ große Erfolge. Der anderen Hälfte wurde nichts gesagt, sie ging also davon aus, mit einem 08/15-Schläger zu putten. Nun betrachteten alle Probanden das Golfloch aus einer Entfernung von 2,13 Metern. Sie sollten zunächst schätzen, welchen Durchmesser das Loch hatte. Dann sollten sie zehn Bälle auf das Loch zielen.

Und siehe da: Beide Gruppen meisterten die Aufgaben völlig unterschiedlich. Wer davon ausging, mit dem Schläger eines Profis zu spielen, schätzte das Loch wesentlich größer ein: Gruppe A tippte im Schnitt auf einen Durchmesser von 9,6 Zentimetern. Die andere Gruppe glaubte hingegen nur an ein Durchmesser von 8,75 Zentimetern – ein signifikanter Unterschied. In Wahrheit war das Loch 10,8 Zentimeter breit. Mehr noch: Gruppe A war auch erfolgreicher. Sie versenkte im Schnitt 5,3 Bälle im Loch, Gruppe B brachte es nur auf 3,85 Erfolge.

Charles Lee vermutet, dass die Mitglieder von Gruppe A sich womöglich geistig in die Lage des Profigolfers hineinversetzt hätten – und das wirkte sich nicht nur auf ihre Augen aus, sondern auch auf ihre Leistung. Offenbar versetzt der Glaube also tatsächlich Berge.

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