Die guten alten Zeiten – Warum Nostalgie uns glücklich macht

Es ist soweit. Heute erscheint mein neues Buch: Die guten alten Zeiten: Warum Nostalgie uns glücklich macht. Wie es dazu kam, was Sie darin erwartet, ein exklusiver Auszug – und zur Feier des Tages drei Freiexemplare.

Es begann mit einer Diskussion unter Kollegen. Einer wollte über neue Autos schreiben, die den Modellen der Fünfziger- und Sechzigerjahre ähneln. Ein anderer fragte, wieso Menschen so gerne Sachen kaufen, die sie an früher erinnern.

Ich weiß noch genau, dass ich damals hellhörig wurde; dass ich am folgenden Tag meiner Freundin, die demnächst meine Frau wird, davon erzählte. Und dass sie damals sagte: „Die Autos finde ich nicht so interessant. Aber daraus kann man vielleicht ein Buch machen.“

Das war im Februar 2012. Ab heute gibt es dieses Buch zu kaufen: Die guten alten Zeiten: Warum Nostalgie uns glücklich macht.

Und so fängt es an.

DAS VORWORT

Angeblich bereut man vor allem die Dinge, die man nicht getan hat. Daher bin ich froh, dass ich mich am Montagmittag, dem 26. November 2012, auf ein klappriges Fahrrad mit ziemlich platten Reifen setzte und bei strömendem Regen zu meiner Oma fuhr. Ich konnte nicht ahnen, dass es unser letztes Treffen sein würde.

Eigentlich hatten wir vereinbart, dass ich mein eigenes Essen mitbringe, sie selbst war seit Kurzem Kundin von »Essen auf Rädern«. Ich wollte gerade aus dem Haus gehen, da rief sie mich an: »Du kannst kommen, das Essen ist fertig.«

Bei Hähnchenbrust, Bratkartoffeln und Brokkoli unterhielten wir uns vor allem über das Buch, an dem ich damals arbeitete. Einige Wochen zuvor hatte ich ihr das erste Kapitel gegeben, und jetzt sagte sie mir erneut, wie stolz sie auf mich sei und wie sehr sie sich auf das Buch freue. Zum Nachtisch aßen wir Milchreis, ich trank noch einen Espresso und verabschiedete mich.

Am folgenden Donnerstag telefonierte meine Oma abends gegen 22 Uhr mit ihrer Schwester. Sie erzählte, dass sie so glücklich sei wie lange nicht und sich besser fühle denn je. Dann ging sie ins Bett und wachte nie wieder auf.

Obwohl sie bereits 87 Jahre alt war, kam ihr Tod plötzlich und unerwartet, denn außer ein paar kleineren Beschwerden ging es ihr gut. Umso trauriger und schockierter war ich, denn vor allem als Kind war ich oft bei ihr. Sie hatte mich regelmäßig bekocht, zum Schlagzeugunterricht gefahren oder mit mir »Mensch ärgere Dich nicht« gespielt.

Doch nun merkte ich, wie sehr wir von solch nostalgischen Gedanken profitieren können. Sie halfen mir dabei, den Tod meiner Oma zu verarbeiten. Ein Mensch war gegangen, die Erinnerungen sind geblieben. Die Erinnerungen an damals.

Damals. Ein Wort mit vielen Bedeutungen, positiven wie negativen. Aber eines, das Emotionen weckt.

Das bemerkte ich bei der Recherche für dieses Buch. Egal ob Freunde mit Anfang 30 oder Kollegen Mitte 40, 60-jährige Eltern oder meine 87-jährige Großmutter – jeder hatte etwas beizusteuern.

Panini und Udo Jürgens

Mein bester Freund dachte sofort an die Klebebildchen der Firma Panini, meine Mutter erinnerte sich an ihr Kindheitsidol Udo Jürgens, meine Oma erzählte mir in den Wochen vor ihrem Tod von Urlauben mit meinem verstorbenen Opa. Und ich stellte fest: Nostalgie bestimmt unser ganzes Leben.

Zu diesem Ergebnis sind in den vergangenen Jahren auch zahlreiche Wissenschaftler gekommen, darunter Mediziner und Psychiater, Philosophen und Psychologen, Soziologen und Ökonomen. Inzwischen ist klar: Nostalgie ist kein Zeichen von Kleinbürgerlichkeit, Schwäche oder Angst. Im Gegenteil.

Wer heute Studien über Nostalgie liest, stößt häufig auf den griechischen Dichter Homer. In der ›Odyssee‹ schilderte er die Irrfahrt von Odysseus, der nach zehn Jahren im Trojanischen Krieg noch mal genauso lange brauchte, bis er wieder zu Hause war.

Drei Jahre fuhr er auf dem Meer umher, sieben Jahre hielt ihn die schöne Göttin Kalypso gefangen. Sie bot ihm Unsterblichkeit an, doch Odysseus lehnte ab. Er dachte nur an die Rückkehr – auf Griechisch nostos. Gleichwohl musste er dafür Qualen ertragen, griechisch algos. Nostalgie steht also für den »Schmerz der Heimkehr«.

Homer zeigte als Erster, welche Macht der Nostalgie innewohnt. Aus den Erinnerungen schöpfte Odysseus die Kraft, alle Widerstände zu überwinden und nach Hause zu finden. Was für die Sagengestalt gut war, ist für Menschen nicht schlecht.

Um das deutlich zu sagen: Dieses Buch ist kein Appell, nur noch in der Vergangenheit zu verweilen oder sich vor den Herausforderungen der Gegenwart zu verstecken. Stattdessen soll es erklären, wieso Nostalgie uns enorm prägt; weshalb uns manche Erinnerungen erhalten bleiben; warum wir Gerüche und Musik mit Personen, Orten und Erlebnissen verbinden. Nostalgie ist ein Gefühl, das buchstäblich riecht, schmeckt und klingt. Heute empfinden es mehr Menschen als je zuvor.

Nostalgie gedeiht immer auf dem Boden des Wandels. Wenn politische, ökonomische oder kulturelle Entwicklungen dafür sorgen, dass Menschen ihre Heimat verlassen oder den Eindruck haben, dass diese Heimat sich gerade massiv verändert. Kaum jemand würde bestreiten, dass das auf die Welt von heute zutrifft.

Egal ob Euro-Krise, Energiewende oder Klimawandel – die Welt scheint aus den sprichwörtlichen Fugen zu geraten, die Gegenwart hektischer, die Zukunft unsicherer. Und deshalb retten sich viele in die Vergangenheit.

Der demografische Wandel vergrößert die Macht schöner Erinnerungen zusätzlich: Die Geburtenrate sinkt, die Lebenserwartung steigt, der Anteil Älterer ebenfalls. Mit anderen Worten: Es wird immer mehr Menschen geben, denen weniger Zukunft bleibt – und umso mehr Vergangenheit.

Sie kennen das sicher: Viele denken gerne an die vermeintlich gute alte Zeit zurück. An die ach so unbeschwerte Jugend, schöne Urlaube oder ausgelassene Partys. Wenn sich alte Freunde treffen, reden sie häufig über frühere Erlebnisse. Damals, als die Menschen angeblich freundlicher, die Jugend höflicher und das Leben generell einfacher war.

Natürlich stimmt das nicht immer. Aber wir werden im Verlauf dieses Buchs sehen, dass es sinnvoll und verständlich ist, beim Blick in die Vergangenheit die viel zitierte rosarote Brille aufzusetzen. Und warum Nostalgie für Solidarität und Vertrautheit sorgt.

Gemeinsame Erinnerungen sind der Klebstoff, der die fragile Gemeinschaft zusammenhält – und der Deutschen liebstes Hobby prägt: Die European Business School befragte im September 2011 3000 Fußballfans, warum sie sich mit ihrem Lieblingsclub identifizieren. Nur 21 Prozent war es wichtig, dass der Verein erfolgreich ist oder war. Aber 34 Prozent antworteten: »Ich verbinde viele Erinnerungen mit ihm.« Ein Indiz dafür, warum wir so gerne Produkte unserer Kindheit konsumieren.

Der Charme der Vergangenheit

Selbst das zukunftsorientierte Internet profitiert vom diskreten Charme der Vergangenheit. Im April 2012 zahlte Facebook umgerechnet etwa 760 Millionen Euro für das Fotoprogramm Instagram. Dessen besonderer Reiz liegt in speziellen Filtern, die die Bilder so aussehen lassen wie vergilbte Analogaufnahmen.

Beim Kurznachrichtendienst Twitter sammelten die Nutzer im selben Monat »Sätze ihrer Kindheit«. Darunter: »Messer, Schere, Gabel, Licht …« oder »Solange du deine Füße unter meinen Tisch stellst …«. Sie gedachten Klingelstreichen oder Telefonen mit Wählscheiben und wärmten sich an der gemeinsamen Vergangenheit – mit einem lachenden und einem weinenden Auge.

Der Wert der Erinnerungen ergibt sich aus ihrer Unerreichbarkeit. Und dieser Wert steigt, wenn wir sie mit anderen teilen.

Das Leben ist wie eine Autofahrt ohne Tankanzeige und exaktes Navigationssystem. Wir wissen nicht, wie lange unser Motor noch läuft. Wo Staus, Umleitungen, rote Ampeln und Geisterfahrer lauern. Deshalb ist der Blick in den Rückspiegel manchmal hilfreich.

Das Schöne dabei ist: Dafür müssen wir uns nicht besonders anstrengen. Häufig tauchen Erinnerungen plötzlich und unvermittelt auf, ohne dass wir etwas bewusst dafür tun. Diese gedankliche Zeitreise fühlt sich meistens gut an. »Yesterday«, sangen schon die Beatles, »all my troubles seemed so far away.«

Dieses Buch wird Sie auf eine Reise mitnehmen. Sie werden skurrile Ärzte kennenlernen, sensible Soldaten und mörderische Dienstmädchen. Sie werden erfahren, wieso Mediziner Nostalgie früher für eine tödliche Krankheit hielten und Psychiater Nostalgiker für unzurechnungsfähig erklärten; weshalb Psychologen Nostalgie inzwischen als Medizin für die Seele gilt; wie Neurowissenschaftler deren Basis im Gedächtnis entdeckten; warum Ökonomen und Marketingforscher davon überzeugt sind, dass Nostalgie Kaufentscheidungen prägt, und wie Unternehmen davon profitieren.

Am Ende dieser Reise werden Sie sich selbst, aber auch Ihre Mitmenschen besser verstehen. Und ihre erste Station liegt in der Schweiz des 17. Jahrhunderts.

Zugegeben: Ich war mir zuerst etwas unsicher. Wäre es wirklich eine gute Idee, meine Gefühle in dem Vorwort so öffentlich zu machen? Aber dann beschloss ich, dass es genauso sein muss. Herzensprojekte haben es nun mal an sich, dass man sich öffnen muss, mit allen Risiken und Nebenwirkungen. Mein Buch ist ein solches Herzensprojekt. Und ich glaube, das werden Sie merken.

Was Sie in den vier Kapitel erwartet?

Im ersten Kapitel beschäftige ich mich mit der Geschichte der Nostalgie. Was viele nicht wissen: Im 17. Jahrhundert galt Nostalgie als tödliche Krankheit. Mediziner glaubten: Wer seine Heimat verlässt, erkrankt an Nostalgie – und die führe zum Organversagen.

Inzwischen wissen Psychologen jedoch: Nostalgie ist ein überwiegend positives Gefühl. Wir neigen dazu, die Vergangenheit zu verklären. Warum das sinnvoll und verständlich ist und wieso die Menschen gerade heute so gerne in Erinnerungen schwelgen – darum geht es im zweiten Kapitel (Der Geist der Nostalgie).

Klar ist: Wir können uns erinnern, ohne nostalgisch zu werden. Aber wir können nicht nostalgisch werden, ohne uns zu erinnern. Aber wieso prägen wir uns gewisse Erlebnisse ein, während wir andere vergessen? Weshalb verbinden wir bestimmte Gerüche mit bestimmten Erinnerungen? Warum versetzen uns Lieder in die Vergangenheit? Wie all das funktioniert, beschreibe ich im dritten Kapitel mit dem Titel Nostalgie im Gehirn.

Schöne Erinnerungen lassen sich bestens vermarkten. Ein Beispiel: Dutzende alter Serien gibt es heute auf DVD. Deutsche Produktionen wie „Die Augsburger Puppenkiste“, schwedische wie „Pippi Langstrumpf“, amerikanische wie „Knight Rider“. Aber warum kaufen wir so gerne Marken unserer Kindheit? Wieso fallen wir auf Retrowerbung rein? Wie können sich Unternehmen Nostalgie zunutze machen? Was sagt das über uns als Kunden aus – und als Menschen? Antworten darauf gibt es im vierten Kapitel (Das Geschäft mit der Nostalgie).

EIN GEWINNSPIEL

Da geteilte Freude ja doppelt so schön ist, verschenke ich zum Start drei Bücher. Falls Sie ein Exemplar gewinnen wollen, müssen Sie nur Folgendes tun: Hinterlassen Sie mir bis Sonntag, 1. Dezember, 23.59 Uhr, einen Kommentar in der unteren Spalte. Falls Sie jemanden kennen, dem das Buch gefallen würde, leiten Sie ihm doch den Link auf diese Seite weiter, teilen ihn bei Facebook oder posten ihn bei Twitter – nutzen Sie dafür einfach die unteren Symbole.

Vielen Dank!

36 Kommentare

  1. Alles eine Frage des Wer-Wann-Was. Schon Paul, THE Apostel, schrieb in seinem Brief an seine PhilipperFreunde (Phil 3,13b – Hfa): (…) Aber eins steht fest, dass ich alles vergessen will, was hinter mir liegt. (…)

  2. Das trifft meinen Faible für Vergangenes. Vielleicht verstehe ich mit dem Buch warum mich Vergangenes so fasziniert.

  3. Schönes Cover — ich bin selbst noch den alten Käfer gefahren. Wir können nicht unbedingt sagen, die Zeiten waren besser, aber für mich im Rückblick unkomplizierter.
    Bin gespannt auf das Buch & Herzlichen Dank für die Idee !!!

  4. Glückwunsch zur Veröffentlichung, ein tolles Thema! Ich habe gerade selber entdeckt, was für eine magische Anziehungskraft Kindheitserinnerungen ausüben. Diese Sehnsucht nach Nostalgie lebe ich auf meiner Webseite http://www.erinnerstdudich.de aus, wo ich fast vergessene Dinge insbesondere der 70er und 80er Jahre sammele. Eine tolle Art der Rückbesinnung …

  5. Nostalgie kann uns zwar einfach glücklich machen und uns in manchen Situationen aushelfen, jedoch verwenden nicht allzu wenige den Blick in die Vergangenheit um sich aus der Gegenwart zu flüchten. Wem dies zur Gewohnheit fällt wird nicht in der Lage sein die Gegenwart zu schätzen und die Zukunft entsprechend seinen Plänen zu gestalten.
    Das denk‘ ich mir zumindest als zukunftsorientierte Person.

  6. @Nadja: Wann das anfängt, ist schwer zu sagen. Aber was definitiv zu dieser Stimmung beiträgt, sind einschneidende Erlebnisse, zum Beispiel ein Schulabschluss. Man realisiert, dass eine Lebensphase vorbei ist, die nie wiederkommt. Und je älter man wird, desto mehr Phasen lässt man eben hinter sich…Und zum Punkt „Gedanken als 6-Jährige“: Den Punkt behandele ich auch im Buch – also die Frage, wie weit Erinnerungen zurückreichen. Es gibt den schönen Begriff der „Kindheitsamnesie“: Die meisten Menschen erinnern sich nicht bewusst an Ereignisse vor ihrem vierten Lebensjahr.

  7. Sehr interessantes und spannendes Thema 🙂 herzlichen Glückwünsch zur Veröffentlichung Daniel 🙂

  8. Klar, je älter man wird, desto mehr Vergangenheit hat man ja auch.. 😉
    Ich frage mich gerade, ab welchem Alter das ungefähr anfängt.. ich kann mich nicht erinnern, mit 6 Jahren schon auf die „gute alte Zeit“ zurückgeblickt zu haben (andererseits weiß ich natürlich eh nicht mehr viele meiner Gedanken als 6-jährige..).

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