Adventskalender (8): Menschen ohne Selbstvertrauen brauchen keine Gehaltserhöhung

Diese Überschrift ist überspitzt, aber zulässig. Psychologen haben in diesem Jahr nämlich herausgefunden: Menschen mit wenig Selbstbewusstsein wechseln nach einer Gehaltserhöhung eher den Job – aus schlechtem Gewissen. 

Daniel Schroeder von der Universität von Texas untersuchte in einer Studie (.pdf), ob ein Zusammenhang besteht zwischen der Bezahlung eines Angestellten, seinem Selbstbewusstsein und seiner Bereitschaft, den Job zu wechseln. Daher befragte er zwischen 1993 und 1995 gemeinsam mit zwei Kollegen knapp 8000 Studenten. Die Wissenschaftler wollten vor allem herausfinden, wie es um deren Selbstbewusstsein bestellt war. Im Anschluss werteten sie bis zum Jahr 1999 deren Beschäftigungsdaten aus.

Fazit: Nachdem die Teilnehmer 24 Monate gearbeitet hatten, bemerkten die Forscher einen vermeintlich kuriosen Zusammenhang: Diejenigen mit wenig Selbstbewusstsein blieben ihrem Arbeitgeber mit größerer Wahrscheinlichkeit treu, wenn sie keine Gehaltserhöhungen erhielten. Mehr noch: Wurde ihr Gehalt erhöht, stieg ihre Wechselbereitschaft. Bei den Teilnehmern, die über viel Selbstvertrauen verfügten, war es genau umgekehrt: Sie blieben eher bei ihrem Unternehmen, wenn ihr Gehalt stieg – ansonsten suchten sie das Weite.

Das Ergebnis hört sich zunächst paradox an. Warum sollte jemand seinen Job wechseln, wenn sein Gehalt steigt?

Hier kommt William Swann ins Spiel. Der US-Sozialpsychologe gilt als Entdecker der Selbstverifikationstheorie. Vereinfacht gesagt besagt diese: Menschen wollen ihr eigenes Selbstbild bestätigt sehen.

In einem von Swanns Experimenten sollten sich Ehepartner gegenseitig bewerten. Und siehe da: Jemand mit hohem Selbstbewusstsein fühlte sich seinem Partner näher, wenn dieser ihn positiv bewertete. Ganz anders war es bei jenen ohne Selbstbewusstsein: Deren Bindung zum Partner stieg, wenn sie von ihm negativ bewertet wurden. In einer weiteren Studie fand Swann heraus: Muss sich eine Person ohne Selbstbewusstsein entscheiden, ob sie von einer positiv gestimmten Person bewertet wird oder von einer negativ gestimmten, wählt sie zumeist Letztere.

Diese Erkenntnis lässt sich offenbar auch auf die Berufswelt übertragen: Demnach ist unser Verlangen, von unserer Umwelt genau so behandelt zu werden, wie wir uns selbst sehen, überaus mächtig. Und zwar so sehr, dass wir dafür sogar auf mehr Geld verzichten – und im Falle einer Gehaltserhöhung lieber flüchten.

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