Regret Aversion – Warum Reue unsere Entscheidungen beeinflusst

Angeblich bereuen wir nur die Dinge, die wir nicht getan haben. Wie stark unsere Abneigung gegen das Gefühl der Reue tatsächlich ist, zeigt ein Experiment zweier niederländischer Psychologen.

Vielleicht hätte ich mich damals anders entscheiden sollen? Warum habe ich bloß dieses und nicht jenes getan? Solche Situationen kennt jeder von uns – leider lässt sich die Zeit nunmal nicht zurückdrehen.

Tatsache ist: Bei einer Entscheidung, insbesondere wenn es um finanzielle Dinge geht, kalkulieren wir bereits ein, ob wir im Nachhinein etwas bereuen könnten oder nicht – und dieser Gedanke wirkt sich auch auf unsere Handlung aus.

Das Übel der „Regret Aversion“

Psychologen nennen dieses Denkmuster „Regret Aversion“, was frei übersetzt so viel heißt wie „Abneigung vor dem Bereuen“. Wir Menschen haben eine instinktive Scheu davor, eine Entscheidung im Nachhinein bedauern zu müssen – aber genau das führt uns manchmal zu falschen Entscheidungen.

Ein Beispiel: Nehmen wir an, Sie haben für 1000 Euro die Aktie eines Unternehmens gekauft. Seitdem hat sich der blöde Kurs jedoch nicht verändert, so dass die Aktie immer noch 1000 Euro wert ist. Jetzt stellen Sie sich vor, Sie würden die Aktie verkaufen – und nächste Woche macht sie einen großen Sprung nach oben. Sie würden sich zu Tode ärgern! Also behalten Sie das Papier lieber noch – auch wenn es sich im Nachhinein als falsche Entscheidung herausstellt.

Genau das ist das Übel der „Regret Aversion“ – die Vorstellung entgangener Gewinne ist für uns viel schlimmer als ersparte Verluste. Niels van de Ven und Marcel Zeelenberg von der Uni Tilburg wollten jetzt wissen: Würden wir sogar auf Materielles verzichten, um uns das Gefühl des Bereuens ersparen zu können?

Ein Lottospiel

Für ihre Studie (.pdf) wählten die beiden Wissenschaftler eine Art Lotteriespiel. Seit langem ist bekannt, dass Menschen eine natürliche Abneigung davor haben, einen Lottoschein gegen einen anderen einzutauschen. Man stelle sich nur mal vor, das weggegebene Ticket knackt nachher den Jackpot! Wer sich jedoch gegen den Tausch entscheidet, dem entgeht womöglich der Hauptgewinn – bloß erfahren wird er es nie. Sie sehen also: Bereits bei dieser vermeintlich harmlosen Tauschaktion spielt Bereuen eine Rolle. Genau darauf bauten van de Ven und Zeelenberg ihre Experimente auf.

Im ersten wurden 229 Studenten zunächst in sieben Gruppen aufgeteilt. Ein Teilnehmer aus jeder Gruppe hatte die Chance, einen Gutschein im Wert von 15 Euro zu gewinnen. Nun bekam die eine Hälfte der Teilnehmer ein Lotterielos mit eigener Nummer ausgehändigt, die andere Hälfte erhielt das Ticket in einem verschlossenen Umschlag.

Nun boten die Forscher allen Teilnehmern an, ihr Ticket gegen ein anderes zu tauschen. Obendrein winkte als Geschenk noch ein Kugelschreiber mit dem Logo der Universität – kein teurer Gegenstand, aber immerhin eine kleine Aufmerksamkeit.

Und siehe da, die „Regret Aversion“ zeigte Wirkung: Von den Teilnehmern, die ihr Ticket in einem Umschlag erhalten hatten, waren 73 Prozent bereit, es gegen ein anderes einzutauschen. Wer hingegen die Nummer seines Tickets kannte, wollte es nur in 56 Prozent wieder hergeben. Die Logik dahinter ist klar: Jene Teilnehmer kannten ja bereits die Nummer des Tickets – so dass sie Gefahr liefen, bei einem Tauschhandel den späteren Gewinner aus der Hand zu geben. Das hätte natürlich auch den anderen Probanden passieren können – bloß erfahren hätten sie es nie, da sie die Nummer ihres Scheins nicht kannten.

In einem Folgeexperiment gaben van de Ven und Zeelenberg nun allen 180 Teilnehmern einen nummerierten Schein, wieder winkte ein 15-Euro-Gutschein, wieder konnten sie ihr Los gegen ein anderes eintauschen. Jedoch boten die Wissenschaftler der Hälfte der Probanden an, dass sie sich selbst für eine andere Nummer entscheiden konnten.

Der Gedanke dahinter war: Wenn sie nun auch die Nummer des neuen Loses kannten, würden sie womöglich auch die Entscheidung bereuen, ihr eigenes Ticket nicht eingetauscht zu haben – dann nämlich, wenn die Alternative hinterher siegen würde.

Ob sich das auf die Entscheidung auswirkte? Und ob: Wer sich selbst eine andere Nummer aussuchen durfte, wählte in 77 Prozent der Fälle den Tauschhandel. Wer die neue Nummer nicht kannte, entschied sich nur in 64 Prozent dafür – der Einfluss der „Regret Aversion“.

[via Freakonomics]

4 Kommentare

  1. gegen so etwas gibt es doch die berechnung sog. „opportunity costs“, würde mein alter economics prof jetzt sagen… 😉

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