Terroranschläge senken die Scheidungsrate

Die Terroranschläge vom 11. September 2001 kosteten knapp 3000 Menschen das Leben. Wissenschaftler haben jetzt einen überraschende Entdeckung gemacht: In den darauffolgenden Jahren gab es in New York weniger Scheidungen.

Beim Angriff auf das World Trade Center starben etwa 2700 Menschen. Doch abgesehen von diesen Tragödien hinterließen die Anschläge eine enorme psychologische Wirkung: Erstmals seit den Fliegerangriffen von Pearl Harbor im Jahr 1941 wurden die USA wieder auf eigenem Boden angegriffen. Dem stolzen Land wurde die eigene Verwundbarkeit schmerzhaft vor Augen geführt.

Das Ereignis brannte sich nicht nur in das kollektive Gedächtnis der USA ein, sondern auch in das der Betroffenen – und zwar so sehr, dass sich in den darauffolgenden Jahren in New York weniger Menschen scheiden ließen. Zu diesem Ergebnis kommen US-Psychologen um Tonya Cross Hansel in einer neuen Studie, für die sie die New Yorker Scheidungsraten der Jahre 1991 bis 2005 verglichen.

Der Bundesstaat New York hat insgesamt 62 Bezirke („counties“). Acht im Zentrum der Stadt New York, 54 außerhalb der Metropole. Als Hansel die Anzahl der Scheidungen pro 1000 Einwohner analysierte, stellte sie fest: Ab dem Jahr 2002 sanken in allen Bezirken die Scheidungsraten. Ein Jahr nach den Anschlägen ließen sich in 42 Prozent der Bezirke weniger Paare scheiden. Von 2003 bis 2005 beobachtete Hansel diese Reaktion bereits in 70 Prozent aller Bezirke.

Der US-Psychiater Paul Nakonezny war ebenfalls an Honsels Studie beteiligt – aus gutem Grund: Er kennt sich aus mit den Nachwirkungen von Terroranschlägen. 1995 hatte der inzwischen hingerichtete Amerikaner Timothy McVeigh einen Bombenanschlag auf ein Regierungsgebäude in Oklahoma City verübt. 168 Menschen starben, darunter viele Kinder. Nakonezny war in einer Studie im Jahr 2004 zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen: In den Jahren nach dem Attentat sanken die Scheidungsraten in und um Oklahoma herum – so wie nach dem 11. September 2001 in New York. Die Frage ist nur: Warum?

Umgang mit Angst

Bei der Suche nach Erklärungen sind zwei Theorien hilfreich. Zum einen die so genannte Terror-Management-Theorie. Vereinfacht erklärt steckt dahinter die Annahme, dass Anschläge und Attentate bei Überlebenden eine lähmende Angst (englisch: „terror“) verursachen – weil uns die eigene Sterblichkeit bewusst wird. Damit müssen wir irgendwie fertig werden, und so klammern wir uns in diesem Zustand an gewisse Normen und Werte. Dazu gehört oft auch eine feste Partnerschaft, die wir in einer solchen Extremsituation umso mehr schätzen.

In eine ähnliche Richtung zielt zum anderen die Bindungstheorie. Kurz gesagt hat jeder von uns das Bedürfnis, zu unseren Mitmenschen eine enge und intime Beziehung aufzubauen – und dieser Wunsch ist dann umso größer, wenn wir Druck und Stress empfinden.

Bei Terroranschlägen kommt es sozusagen zu einem Zusammenspiel beider Theorien: Wir sind verängstigt, verzweifelt und klammern uns an unseren Partner. Eventuelle Beziehungsprobleme rücken in den Hintergrund, Scheidungen werden seltener – zumindest in den ersten Jahren nach dem traumatischen Ereignis.

Ob auf die Scheidung wirklich ganz verzichtet wird oder ob nur der Zeitpunkt der Trennung nach hinten geschoben wird, steht natürlich wieder auf einem anderen Blatt.

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