Schöne Tradition – Die Psychologie der Rituale

Egal ob Menschen oder Tiere, egal ob bei schönen oder traurigen Anlässen: Jedes Lebewesen kennt Rituale. Zwei neue Studien beschäftigen sich nun mit deren Psychologie – und resümieren: Rituale sind nicht nur seelische Medizin, sondern steigern auch die Freude.

Darf ich vorstellen: Zwei Elefanten auf der Balz. Indem die Dickhäuter ihre Rüssel umschlingen, signalisieren sie einander Paarungsbereitschaft. Ein klassisches Ritual der Tierwelt.

Solche Rituale pflegen Menschen zu unterschiedlichen Anlässen. Mal trauern sie bei einem Begräbnis um einen Verstorbenen, mal backen sie einem Geburtstagskind eine Torte und zünden Kerzen an, die der Jubilar auspusten soll.

Aber was bringen solche traditionellen Verhaltensweisen? Und wie beeinflussen sie die Beteiligten? Diesen Fragen widmeten sich jetzt zwei neue Studien, die in Kürze in zwei Fachjournalen erscheinen.

Michael Norton und Francesca Gino von der Harvard Business School verstehen unter einem Ritual „eine symbolische Handlung vor oder nach einem bedeutsamen Erlebnis“. In ihrer Untersuchung konzentrierten sie sich auf deren tröstende Funktion. Denn tatsächlich: Rituale können seelische Schmerzen lindern.

Zu diesem Ergebnis gelangten die Forscher in vier Experimenten. In einem davon teilten sie 247 Personen in zwei Gruppen. Alle sollten etwa zehn Minuten lang über einen wichtigen Verlust schreiben. Gruppe A sollte vom Tod eines geliebten Menschen berichten, Gruppe B vom Ende einer engen Liebesbeziehung.

Doch in beiden Gruppen sollten einige Teilnehmer auch ein bestimmtes Ritual schildern, das sie nach dem Verlust gepflegt hatten – ob sie danach etwa gewisse Orte gemieden oder manche Klamotten nicht mehr angezogen hatten.

Im Anschluss fragten Norton und Gino alle Probanden, wie sie sich nun fühlten. Sie sollten zum Beispiel angeben, ob sie angesichts der Erinnerung eine Art Kontrollverlust und Hilflosigkeit spürten oder wie stark sie immer noch trauerten.

Und siehe da: Jenen Probanden, die sich zuvor an ein bestimmtes Ritual erinnert hatten, ging es nun besser. Sie empfanden nicht nur wesentlich weniger Machtlosigkeit, sondern auch weniger Trauer.

Seelische Medizin

Nach Angaben von Norton und Gino sind Rituale bei traurigen Erlebnissen eine Art seelische Medizin. Der Mensch mag keine abrupten Veränderungen, traurige schon gar nicht. Sie führen ihm die eigene Machtlosigkeit vor Augen. Rituale machen die Umstände erträglicher, denn sie stellen das Gefühl von Kontrolle zumindest teilweise wieder her.

Doch Rituale können noch mehr. Sie lindern nicht nur den gedanklichen Schmerz, sondern potenzieren auch Gefühle wie Freude und Glück.

So lautet die Essenz einer Studie von Kathleen Vohs von der Carlson School of Management. Sie reichte Hunderte von Probanden in vier Experimenten verschiedene Nahrungsmittel. Mal durften sie Schokolade naschen, mal Limonade trinken oder Möhren mümmeln.

Doch jedes Mal sollte ein Teil der Probanden vor dem Konsum ein kleines Ritual vollführen. Die Schoko-Gruppe bekam zum Beispiel die Anweisung, den Riegel erst einmal in zwei Hälften zu brechen, dann eine Hälfte auszupacken und zu essen. Erst danach sollte sie die andere Hälfte auspacken und verputzen.

Ein ziemlich banaler Vorgang also – aber der wirkte. Wer zuvor das kleine Ritual vollzogen hatte, ließ sich nun mehr Zeit mit der Schokolade, genoss sie umso mehr, fand sie leckerer und wollte sogar mehr für sie bezahlen.

Vohs glaubt, dass Rituale das emotionale Engagement steigern. Ein Erlebnis wirkt durch sie intensiver. Selbst kleine Rituale seien deshalb häufig enorm wirksam. Sie könnten die Menschen dazu verleiten, die Zeit umso mehr zu genießen.

Rituale erreichen laut der beiden Studien also zwei Ziele: Geteiltes Leid ist durch sie tatsächlich halbes Leid. Und geteilte Freude ist doppelt so schön. Egal ob bei Menschen oder bei Elefanten.

Quellen:
Michael Norton und Francesca Gino (2013). Rituals Alleviate Grieving for Loved Ones, Lovers, and Lotteries. Journal of Experimental Psychology: General

Kathleen Vohs et al (2013). Rituals Enhance Consumption, Psychological Science

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